Hörbücher

Ein historischer Identitätskrimi

Albert Einstein, der wohl genialste Physiker aller Zeiten kann sich gl?cklich sch?tzen, dass es seinerzeit noch keine Regenbogenpresse samt ihrer Paparazzi gab, die das Leben der Prominenten minuti?s verfolgen und auf Zelluloid bannen. Dies erkl?rt auch, warum es in der Biographie des Mannes, der die Weltanschauung mit seiner Relativit?tstheorie revolutioniert hatte, einen wei?en Fleck gibt, ?ber den die ?ffentlichkeit heutzutage garantiert mit gen?gend Fakten und Informationen versorgt w?re. 

Albert Einstein hatte mit seiner ersten Frau Mileva Einstein-Marić neben den beiden S?hnen Hans Albert und Eduard zuvor noch eine Tochter gezeugt, zu der allerdings lediglich Spekulationen existieren, so dass nicht einmal ihr wirklicher Name gesichert ist. Man geht anhand einer Serie von Liebesbriefen, die in den Achtzigern aufgetaucht waren, davon aus, dass sie den Namen "Lieserl" erhalten hatte. Doch schon bald wird es ganz diffus: Geboren wurde "Lieserl" im Januar 1902 bei einem Besuch Milevas in der heimischen Vojvodina in Serbien. ?ber das weitere Schicksal des Kindes ranken sich verschiedene Theorien. Die beiden g?ngigsten besagen, dass sie bereits im ersten oder zweiten Jahr an Scharlach gestorben ist bzw. alternativ, dass sie fr?h zur Adoption freigegeben worden war, woraufhin sich ihre Spur verliert. Diese zweite Theorie wird im vorliegenden H?rbuch vom Autor Philip Sington aufgegriffen und zu einer spannenden Geschichte verarbeitet. 

Zu Beginn der im Jahre 1932 angesiedelten Handlung wird in einem Waldst?ck nahe Berlin eine junge Frau gefunden, die sowohl Bewusstsein als auch Erinnerungsverm?gen verloren hat und lediglich einen Zettel mit einem Hinweis auf einen Vortrag von Albert Einstein bei sich tr?gt. Schnell wird sie zum Gegenstand psychiatrischer und polizeilicher Ermittlungen und erh?lt den Namen "Das Einstein-M?dchen". Besonderes und nicht nur berufliches Interesse an ihr zeigt Dr. Martin Kirsch, ein Psychiater an der Berliner Charit?. Kirsch selbst steht kurz vor der Verm?hlung mit der Industriellentochter Alma, doch leidet er nicht nur an der Vorstellung daran, in K?rze mit dem Bund der Ehe eine feste und ewige Verpflichtung einzugehen, sondern auch an den Langzeitwirkungen seiner Neurosyphilis. Dar?ber hinaus wartet der Fall seiner Patientin f?r ihn mit einer F?lle an Recherchen auf, die ihn durch halb Europa f?hren, w?hrend er nach der Machtergreifung durch die Nazis im Januar 1933 bereits deren Eingriffe in das allt?gliche und berufliche Leben deutlich zu sp?ren bekommt. 

Philip Sington hat seinen Roman "Das Einstein-M?dchen" mit dem Berlin der Zwischenkriegsjahre in einer Zeit angesiedelt, die gegenw?rtig f?r Romanschreiber en vogue zu sein scheint. Viele B?cher mit einer Hintergrundhandlung in diesen Tagen, als mit Berlin letztmals eine deutsche Stadt Metropolencharakter hatte, finden sich in den Beststellerlisten und den hiesigen Buchl?den zuhauf. Bei der Frage, welchem Genre man das vorliegende Werk zuordnen sollte, k?nnte man "Das Einstein-M?dchen" idealerweise als einen historischen Identit?tskrimi mit wissenschaftlichen Exkursen bezeichnen. Sington bietet mit Abrissen ?ber die Relativit?tstheorie und die psychiatrischen Methoden der damaligen Zeit interessante Einblicke in verschiedene Gebiete der Physik und der Psychiatrie. 

Das vorliegende H?rbuch wird von Torben Kessler ?u?erst gelungen intoniert. Dank seiner einf?hlsamen Art des Vortrags gelingt es dem H?rer, sich rasch in die Handlung hinein zu versetzen. Eingeschobene Briefpassagen des "Einstein-M?dchens" Marija Draganovic werden zwecks besserer Unterscheidung von einer Frauenstimme gelesen, was der oftmals einem H?rbuch innewohnenden Monotonie geschickt entgegenwirkt. Der H?rer bleibt ?ber sechs CDs lang gefesselt und kann sich nie sicher sein, ob sich die Geschichte gerade in der Realit?t bewegt oder einer Fiktion aufgesessen ist. Von dieser Spannung lebt "Das Einstein-M?dchen", das in seiner heterogenen Komposition getrost als ein ganz besonderes Werk bezeichnet werden darf, bis zu seinem h?chst ?berraschenden Finale. 

Christoph Mahnel 
24.08.2010

 
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Das Buch:

Philip Sington: Das Einstein-Mädchen. Aus dem Englischen von Sophie Zeitz

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Sprecher: Torben Kessler
Berlin: DAV 2010
Spielzeit: 458 Min., € 24,99
ISBN: 978-3-898-13948-9

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