Belletristik:

Sachbuch:

Magazin:

Hörbücher

Solo für Kobr

Lennart Ipsen hat es im Frühherbst seiner Polizeikarriere auf die beschauliche Insel Bornholm verschlagen. Nach vielen erfolgreichen Jahren als hohes Tier bei Europol und sonstigen überregionalen Behörden hat er sich nach seinem Ehe-Aus ganz bewusst dafür entschieden, beruflich etwas kürzer zu treten. Als Leiter der Polizeistation auf Bornholm sollte dies sicherlich gelingen. Stress und schwierige Fälle erwartet man schließlich nicht unbedingt auf dem östlichsten dänischen Eiland. Doch weit gefehlt, denn kurz nach Lennarts Ankunft auf der Insel wird ein Schweinebauer in seiner eigenen Räucherkammer tot aufgefunden. Gut durch und abgehangen ist der alte Kristensen, der zeit seines Lebens scheinbar keiner Streitigkeit mit seinen Mitmenschen aus dem Weg gegangen war. Dieser Umstand macht es Lennart bei seiner ersten Ermittlung auf Bornholm leider nicht einfacher, da es viele Motive gibt und demnach auch viele Ermittlungsansätze.

In einer eingeschworenen Gemeinschaft wie der auf Bornholm muss sich ein Neuling erst einmal zurechtfinden. So regiert auf der dortigen Polizeistation noch immer der sich eigentlich im Ruhestand befindliche Vorgänger von Lennart, seine Mitarbeiter arbeiten ihrem Ex-Chef auch weiterhin fleißig zu. Doch merkt der Neue rasch, dass er sich auf seine Truppe verlassen kann, und es entwickelt sich ein Teamgeist, den es braucht, um diesen verzwickten Fall zu lösen. Kaum ein Gesprächspartner findet positive Worte über den Toten, seien es die Nachbarn, die sich über den jahrelangen Zank mit Kristensen um den furchtbaren Gestank von dessen Hof auslassen, seien es Menschen, die mit dem Verblichenen geschäftlich zu tun hatten und bei denen Scherereien an der Tagesordnung waren. Doch was davon taugt tatsächlich als Motiv für einen kaltblütigen Mord in der Räucherkammer?

"Sonne über Gudhjem" ist eigentlich die Bezeichnung für eine lokale Spezialität, eine dänische Variante des "Strammen Max", aber auch der Name eines Wettbewerbs von Spitzenköchen, und darüber hinaus waren es die letzten Worte des Toten in einer Textnachricht an seine wenigen Freunde. Naheliegend, dass der Autor dies auch als Titel für seinen neuesten Kriminalroman gewählt hat. Bei diesem Autor handelt es sich um Michael Kobr, die eine Hälfte des "Kluftinger"-Erfolgsduos Klüpfel/Kobr. Seit rund zwanzig Jahren produzieren die beiden Allgäuer einen "Klufti" nach dem anderen. Doch mittlerweile werden sie hin und wieder auch mal links und rechts von ihrem Erfolgsweg aktiv. Gerade erst waren zwei in Südfrankreich spielende Romane mit den "Unverbesserlichen" aus ihrer Feder erschienen, nun folgt mit "Sonne über Gudhjem" gar ein Solo von Michael Kobr.

Das vorliegende Hörbuch ist eine vollständige Lesung, die sich über etwas mehr als einen halben Tag erstreckt und mit Axel Milberg, dem Kieler "Tatort"-Kommissar, einen perfekten Sprecher gefunden hat. Das norddeutsche Element in Milbergs Stimme verleiht dem Treiben auf der dänischen Insel, der einst im Kalten Krieg als Vorposten des Westens eine nicht unerhebliche strategische Bedeutung zufiel, angenehme Authentizität. Zwei mp3-CDs lang liefern Kobr und Milberg beste Unterhaltung ab, wenn auch Ipsen beileibe kein Kluftinger ist. Doch genau dies lässt einen dem Autor allerhöchsten Respekt zollen, da Michael Kobr nicht nur eine Tonart virtuos beherrscht, sondern auch in einem gänzlich anderen Umfeld abweichende Charaktere zum Leben zu erwecken vermag.

"Sonne über Gudhjem" hat alles, was ein regionaler Erfolgskrimi benötigt: Neben dem Bezug zur Gegend, den Menschen und deren Eigenheiten sind Ipsen und seine Truppe von der ersten Seite an leicht zugänglich. Man findet sich als Hörer sehr schnell ein im Kreise der Protagonisten und dazu gesellt sich ein Kriminalfall, der sich langsam entwickelt und ohne irgendwelche Twister konsequent auf seine Lösung zuschreitet. Man darf gespannt sein, ob dieses Solo für Kobr eine Eintagsfliege bleibt oder ob daraus wie scheinbar geplant eine neue Erfolgsreihe entsteht. Wünschen wird man sich letzteres, da das Debüt von Lennart Ipsen ganz viel Spaß macht und Appetit auf mehr weckt.

Christoph Mahnel
16.10.2023

Diese Rezension bookmarken:

Social Bookmarking