Romane

Eine herrliche Persiflage auf unsere Gegenwart , die dekadenter und dämlicher nicht sein könnte

Mario und Tony waren einst Musiker. Aber dann fand ihre Rockkarriere ein trauriges Ende. Nun stehen die Freunde nicht mehr Seite an Seite auf der Bühne und bringen die Fans zum Kreischen, sondern versuchen Touristen ein unvergessliches Urlaubserlebnis zu bereiten. Die beiden arbeiten in "La Pirámide", der eine als Hotelmanager und der andere als "Vollidiot vom Dienst". So jedenfalls fühlt sich Tony, wenn er versucht, die Bewegungen der Fische im Aquarium in Klänge umzuwandeln. Auf der Hotelanlage gibt es allerdings noch weitaus bescheidenere Jobs, wie zum Beispiel Guerillakämpfer zu spielen und Europäern Angst einzujagen. Auf dem Hotelprogramm stehen vorgetäuschte Entführungen, Abenteuer mit giftigen Spinnen und Urwaldexpeditionen, während die Drogenmafia Menschen enthaupten lässt.

Aus dem Paradies kann innerhalb kürzester Zeit die Hölle auf der Erde werden. Diese Erfahrung muss auch Tony schon bald machen. Er wird wegen eines Notfalls aus einem Tête-à-Tête gerufen. Taucher Ginger Oldenville wurde mit einer Harpune im Rücken tot auf dem Marmorboden vor dem Aquarium aufgefunden. Tony soll sich um die Beseitigung von Gingers Leiche kümmern. Wenn es nach Boss Mario ginge, solle sein Freund alles, was er gesehen hat, wieder vergessen. Aber das kann Tony nicht. Er macht sich daran, dem Rätsel um Gingers Tod auf den Grund zu gehen. An die Theorie eines Selbstmordpaktes glaubt Tony nicht. Er befürchtet, dass Mario in dieser Sache seine Finger im Spiel haben könnte. Der weiht Tony in das Geheimnis seines dritten Lebens ein - und bringt Tonys Grundfesten plötzlich zum Wanken ...

Wer auf der Suche nach einem richtig guten Roman ist, sollte unbedingt zu "Das dritte Leben" greifen. Juan Villoro beweist mit dieser Story, dass er schreiben kann, und das auch noch verdammt gut. Er zählt zu den brillantesten Schriftstellern Lateinamerikas. Was seiner Feder entstammt, ist Literatur auf höchstem Niveau. Kaum ist das vorliegende Buch aufgeschlagen, hält es einen kaum noch auf der Couch vor lauter Lesebegeisterung. Villoro würde selbst bei einem John Irving große Lesefreude entfachen. Er weiß Geschichten mit einer Extraportion (Wort-)Witz und emotionaler Tiefe zu erzählen. Diese bedeuten grandioses Lesekino à la Hollywood. Da ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis diese verfilmt werden. Denn auf der Leinwand würden sie ohne jeden Zweifel einschlagen wie eine Bombe.

Nullachtfünfzehn? Das sind Juan Villoros Bücher definitiv nicht! Vielmehr steckt in diesen origineller Lesespaß vom ersten bis zum letzten Satz. Hier amüsiert man sich köstlich! Kein Wunder, denn der mexikanische Autor spart weder mit Humor noch mit so mancher Leseüberraschung. Von denen findet man auch in "Das dritte Leben" eine ganze Menge - und darüber hinaus Unterhaltung von der amüsantesten Sorte. So etwas wie Langeweile kommt hier während der Lektüre garantiert zu keiner Sekunde auf.

Susann Fleischer
04.04.2016

 
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Das Buch:

Juan Villoro: Das dritte Leben. Aus dem Spanischen von Susanne Lange

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München: Carl Hanser Verlag 2016
288 S., € 19,90
ISBN: 978-3-446-24913-4

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