Romane

Versehrte Klepper

Wer anhand des Inhaltsverzeichnisses des Romans "Die Sisters Brothers" von Patrick deWitt einen waschechten Western erwartet, wird in gewisser Weise entt?uscht werden. Zwar ist die erz?hlte Handlung nur in Form eines Western m?glich, aber dennoch vermeidet deWitt einige Klischees und verarbeitet Motive, die immer noch g?ltig sind.

Die Sisters-Br?der Eli und Charlie sind zwei Auftragsm?rder, die im Dienste eines "Kommodore" stehen. Ihr Ruf eilt ihnen voraus und oftmals gen?gt die Nennung ihres Namens, um einen Streit zu beenden. Nun erhalten sie den Auftrag nach Kalifornien zu reiten, um dort jemanden zu erledigen. Doch schon von Beginn an geht einiges schief. Nicht nur ist Eli mit einem von Pech verfolgten Pferd geschlagen, sondern auf dem Weg gibt es immer wieder absurde Begegnungen, die oftmals blutig enden. Bei der Ankunft in Kalifornien steht nicht nur die Stimmung zwischen den Br?dern schlecht, sondern Eli hat auch, im Gegensatz zu Charlie, keinen Gefallen mehr an seiner Arbeit. Und die Begegnung mit ihrem potentiellen Opfer l?st g?nzlich andere Entwicklungen aus als erwartet.

"Die Sisters Brothers" von Patrick deWitt ist der zweite Roman des noch recht jungen Autors. Dabei ist er schon recht stilsicher und kann insbesondere in seinen Dialogen ?berzeugen. Diese sind es vornehmlich, welche die Handlung vorantreiben. Im Gegensatz zu anderen Romanen die im Wilden Westen spielen, h?lt sich deWitt wenig mit Landschaftsbeschreibungen und Alltagsschilderungen, wie etwa bei Charles Frazier, auf. Trotz der knappen Schilderung des Settings und der Landschaft steht sie dennoch plastisch vor des Lesers Augen. Die Phantasie wird deutlich angeregt. Anhand der Dialoge herrscht ein hohes Tempo vor und man kann das Buch kaum mehr aus der Hand legen.

Jeder Western behandelt den Aufbau der Zivilisation. Das beinhaltet nicht nur die Urbarmachung des Landes, sondern auch die Bildung zivilisatorischer Strukturen, um die Wildheit des Landes und der Menschen zu z?hmen. Dementsprechend hat nat?rlich auch die Wirtschaft damit zu tun. Bislang wurde das aber genrem??ig vernachl?ssigt, es ging immer nur - Stichwort "pursuit of happiness" - um den individuellen Reichtum und die eigene Vorteilsnahme. Das spielt zwar auch hier eine Rolle, aber dennoch spielen in "Die Sisters Brothers" auch die ?bergeordneten Strukturen eine Rolle und so ist es kein Wunder, dass die Handlung in einer historischen Epoche angesiedelt ist. Denn die USA werden als gieriges Land geschildert. Und was liegt da n?her, als es an den Zeiten des Goldrausches zu verdeutlichen?

Hier ist jeder ein Raubtier und Vertrauen t?dlich. Und da die Umwelt missachtet wird, erinnert das Ende an einen solchen Klassiker wie "Der Schatz der Sierra Madre". Es geht hier vorrangig um die L?uterung der zwei Psychopathen, welche die "Helden" des Romans sind. Sie m?ssen umdenken. Denn die Zivilisation besteht aus etwas ganz anderem als sie bislang dachten. Ihr Gewinnstreben und Machthunger erf?hrt eine gr?ndliche Revision. Dabei gelingt es deWitt zwar eine brutale Welt zu erschaffen, ohne aber allzu deutlich in Blutb?dern zu waten. Die Formulierungen sind schn?rkellos aber dennoch gelungen und allein der Name der Br?der, Sisters, also Schwestern, l?sst die beiden M?rder zu einem universalen Symbol werden.

Kurzum: Patrick deWitts "Die Sisters Brothers" ist ein fl?ssig und schn?rkellos geschriebener Roman der im Westerngewand von dem Raubtierkapitalismus der USA und der Umweltzerst?rung berichtet und den Zivilisationsschwerpunkt anders gewichtet.

Jons Marek Schiemann
10.09.2012

 
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Das Buch:

Patrick deWitt: Die Sisters Brothers. Aus dem Englischen von Marcus Ingendaay

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München: Manhattan Verlag 2012
352 S., € 17,99
ISBN: 978-3-442-54700-5

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