Krimis & Thriller

Seine Zunge spricht Lügen

Adam Woods hat nach dem Abschluss seines Studiums in Kunstgeschichte seiner Heimat England den Rücken gekehrt, um in Venedig seinen großen Traum zu erfüllen. Er möchte nichts sehnlicher, als ungestört an seinem ersten großen Roman schreiben und später zu Weltruhm zu gelangen. Als Adam voller Erwartungen und Hoffnungen in Italiens romantischster Stadt ankommt, erlebt er seine erste Enttäuschung: Aus seiner Stelle als Hauslehrer wird nichts. Damit sieht er seine Chance, jemals ein berühmter Schriftsteller zu werden, im Wanken. Doch dank einer Vermittlung bekommt er eine einmalige Gelegenheit, als persönlicher Assistent von Gordon Crace zu arbeiten, jenem Autor, der vor Jahren mit seinem ersten und letzten Roman "Der Debattierclub" große Erfolge feierte.

Adam arbeitet noch nicht lange für Crace, als er seine Post nach unbeantworteten Briefen durchsucht. Besonders zwei Schreiben fallen dem jungen Mann dabei ins Auge: eine Anfrage einer englischer Biografin, die auf einen Vorfall aus dem Jahre 1967 anspielt, und ein Erpresserschreiben aus Dorset von einer Unbekannten. Adam wittert eine große Geschichte dahinter und beschließt, selbst eine Biografie über Crace zu schreiben. Unter dem Vorwand, seine Großmutter sei gestorben und er müsse zu ihrer Beerdigung, kehrt er für wenige Tage nach England zurück. Dort will er die Gelegenheit bei Schopfe packen und Näheres über Crace erfahren. Im Laufe seiner Recherchen stößt Adam auf ein dunkles Kapitel in Craces Vergangenheit: Im Jahre 1967 beging sein "Schützling" und Freund Christopher Davidson Selbstmord. Kurz darauf zog Crace sich aus der Öffentlichkeit in sein Palazzo zurück und kehrte seinem alten Leben den Rücken zu.

Wieder zurück in Venedig beginnt für Adam ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel, denn Crace ist keineswegs so senil, wie es den Anschein haben mag. Er erkennt die wahren Absichten seines persönlichen Assistenten und weiß, dass er ihn um jeden Preis stoppen muss, um die Dämonen seiner Vergangenheit für alle Zeit wegzusperren. Aber auch Adam birgt ein Geheimnis, das er um jeden Preis bewahrt sehen will. Er begibt sich in ein Drama um Täuschungen und menschliche Niedertracht und offenbart gegenüber Crace sein wahres Wesen, das nicht dem Bild von einem jungen, ehrfürchtigen Assistenten entspricht. Eine Konfrontation beider Männer scheint unvermeidlich.

Andrew Wilson hat vor seinem Krimidebüt "Mit gespaltener Zunge" schon einmal zur Feder gegriffen. Mit seiner vielbeachteten und hochgelobten Biografie "Schöner Schatten. Das Leben von Patricia Highsmith" konnte er bereits von sich reden machen. Mit dem vorliegenden Krimi steht er seinem Vorbild in nichts nach und bereitet mit einer akribisch nachgezeichneten Handlung ein Gänsehautgefühl, das eines Charles Dickens durchaus würdig ist. Wilson führt den Leser in die dunkelsten Ecken der menschlichen Seele und entfesselt vor den Augen des Lesers einen Schauerroman, der einen bei der Lektüre immer wieder auf falsche Fährten lockt und daher spannende Unterhaltung mit einem hohen Grad an Grauen und Schauder bietet. "Mit gespaltener Zunge" ist ein brillantes Krimidebüt eines großartigen Autors, von dem man hoffentlich noch viel hören wird.

Susann Fleischer
31.05.2010

 
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Das Buch:

Andrew Wilson: Mit gespaltener Zunge. Aus dem Englischen von Judith Schwaab

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München: Droemer Verlag 2010
384 S., € 19,95
ISBN: 978-3-426-19880-3

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