• RSS
• Startseite

Bei der Nennung dramatischer Werke wie "Die Räuber", "Kabale und Liebe", "Don Carlos" und "Maria Stuart" dürfte jedem Literatur- und Theaterliebhaber im gleichen Atemzug der Name des Verfassers in den Sinn kommen. Als Friedrich Schiller im Alter von 22 Jahren 1782 mit dem Drama "Die Räuber" erstmals die Bretter, die die Welt bedeuten, unsicher machte, wurde ein neuer Star am Literaturhimmel geboren, der innerhalb kürzester Zeit als "teutscher Shakespeare" betitelt und gefeiert wurde. Bis in die Moderne hinein berühren seine Stücke die Zuschauer und versetzen sie zugleich in historische Geschichten, die längst vergangen sind. Dieser Aspekt spiegelt sich in der vom Albatros Verlag herausgegebenen Gesamtausgabe von Friedrich Schillers Dramen wider.

Das über 1300 Seiten umfangreiche Werk beinhaltet sämtliche Dramen Schillers, die der deutsche Ausnahmeautor innerhalb von nur 25 Jahren verfasste und zur Aufführung brachte. Durch die Einteilung der vorliegenden Ausgabe in "Dramen I" und "Dramen II" wird zwischen den zwei literarischen Epochen "Sturm und Drang" sowie "Weimarer Klassik" unterschieden, in deren Zeit Friedrich Schiller schrieb und wirkte. Bevor der Leser sich in Schillers Dramen verlieren kann, hat Helmut Koopmann, Professor em. für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft in Augsburg, ein ausführliches Vorwort verfasst, das Friedrich Schiller und dessen Werke in den Kontext seiner Zeit stellt, sodass der Leser im Anschluss einen Zugang zu den Werken findet. Mittels der folgenden Zeitleiste vollzieht der Rezipient detailliert nach, wie Schillers Werke entstehen und Einfluss auf die Theatergänger nehmen konnten.

Im Vorwort behandelt Koopmann weitläufig bekannte Diskussionen in der Literatur- und Theaterwissenschaft - sei es die Bezeichnung Schillers als "teutscher Shakespeare", die diesem nicht genehm war, oder die Frage, ob Schillers Werke politisch motiviert waren und auf die Missstände ihrer Zeit anspielten, wie von vielen Lesern herausgelesen. Oder nicht doch Anlehungen an literarische Vorbilder, insbesondere Gotthold Ephraim Lessings "Miß Sara Sampson", waren.

Schillers Dramen als Spiegel zweier literarischer Epochen

Nach dem Vorwort, das nicht nur literaturwissenschaftliche Diskussion beinhaltet, sondern zudem Ansätze zur Interpretation der wichtigsten Werke Schillers anbietet, kann der Leser nun auf die Stücke zurückgreifen, die allesamt mit einem klaren Schriftbild in diesem Buch verzeichnet sind. "Dramen I" umfasst die Werke von Schillers Wirken während des Sturm und Drang. Auf beinahe 800 Seiten taucht der Rezipienten in die Welt folgender Dramen: "Die Räuber", "Semèle", "Die Verschwörung des Fiesco zu Genua", "Kabale und Liebe", "Don Carlos", "Der versöhnte Menschenfeind", "Körners Vormittag" und die "Wallenstein"-Trilogie. Es geht um Staatsgeschäfte, Intrigen, Liebe, Herrschaftsansprüche und private Schicksale. Alle Stücke vereinen Merkmale jener literarischen Epoche, die mit "Vertretern" wie Johann Wolfgang Goethe, Johann Gottfried Herder, Gottfried August Bürger und Heinrich Leopold Wagner für viel Furore in der Bevölkerung sorgen sollte. So tritt die "ratio" zugunsten der "emotio" zurück, indem "[d]ie Stimme des Herzens ausschlaggebend für die vernünftige Entscheidung [ist]". Ein neuer Ansatz in der Literaturgeschichte, der großen Zuspruch in der Bevölkerung fand.

Zur Zeit der Weimarer Klassik, deren Werke der zweite Teil dieser Gesamtausgabe - betitelt mit "Dramen II" - beinhaltet, schrieb Schiller die Dramen "Maria Stuart", "Die Jungfrau von Orleans", "Die Braut von Messina", "Wilhelm Tell" und "Die Huldigung der Künste". Diese streben zur Wiederkehr der klassischen Dramenform, nachdem in der Aufklärung durch die neue Dramenform "Bürgerliches Trauerspiel" eine Abwendung stattgefunden hatte. Thematisch gesehen sind die Bestrebungen nach Harmonie, Menschlichkeit und Toleranz von tragender inhaltlicher Relevanz, die sich in den Charakteren widerspiegeln. So spielt beispielsweise die "schöne Seele" als Erziehungsideal in "Maria Stuart" eine bedeutsame Rolle. Anhand dieser fünf Dramen kann der Leser erkennen, dass Friedrich Schiller nicht umsonst im gleichen Atemzug mit Johann Wolfgang Goethe genannt wird. Zeichnen sich seine Werke doch durch eine unbeschreibliche Symbol- und Aussagekraft aus, die zugleich berührend und aufrüttelnd wirken sollen - was ihnen exzellent gelingt.

Eine Gesamtausgabe als Hommage an Friedrich Schiller

Die vom Albatros Verlag herausgegebene Ausgabe von Friedrich Schillers "Sämtlichen Dramen" erschien pünktlich im Schillerjahr 2009, um so den längst verstorbenen Dramatiker posthum eine Hommage zukommen zu lassen. Auch wenn Friedrich Schiller mit 50 Jahren früher verstorben ist als beispielsweise sein Zeitgenosse Johann Wolfgang Goethe, so zeigt sich, dass er nicht ohne Grund als Genie seiner Zeit (und darüber hinaus) gilt. Diese Gesamtausgabe wird dem künstlerischen Anspruch von Schillers Werken gerecht, indem sie auf Äußerlichkeiten verzichten und sich auf das Wesentliche, nämlich auf den literarischen Text, konzentrieren. Zumal man bei dieser Ausgabe keine zwei einzelnen Bände vor sich hat, sondern alle Texte komprimiert in einem Buch vorliegen, sodass der Rezipient unmittelbar auf die Reise in die Historie gehen kann.

Problematisch bei diesem Buch ist allerdings, dass keinerlei Erläuterungen zu bestimmten Wörtern gegeben werden. Man muss bedenken, dass die Texte vor über 200 Jahren verfasst wurden und die verwendete Sprache somit veraltet ist. Manche Wörter kommen im heutigen Wortschatz nicht mehr vor, Ort und Länder heißen inzwischen anders. So ist es eine leicht lästige Notwendigkeit bei Problemwörtern in älteren Wörterbüchern nachzuschauen. Oder man behilft sich mit eigenen Interpretationen, zu denen Schillers Dramen freilich anregen.

Susann Fleischer
07.09.2009

Friedrich Schiller: Sämtliche Dramen

Düsseldorf: Albatros Verlag 2009
1324 S., € 12,95
ISBN: 978-3-491-96236-1

Diesen Titel