Medien & Gesellschaft

Hala Madrid!

Selbst eingefleischte Bayern-Fans müssen zähneknirschend eingestehen, dass es in Europa noch einen Klub gibt, der über mehr Strahlkraft verfügt als der deutsche Rekordmeister und wahrscheinlich als jeder andere Verein auf dieser Erde. Ein Klub, der mehr als ein Klub ist – obgleich gerade diesen Slogan sein größter nationaler Konkurrent für sich reklamiert – und als ultimative und finale Wunschadresse für alle Weltklasse-Fußballer fungiert. Die Rede ist natürlich von Real Madrid, dem königlichen Verein aus der spanischen Hauptstadt. Keine Mannschaft hat die Champions League respektive den Europapokal der Landesmeister so oft gewonnen, nämlich sage und schreibe 14-mal, wobei der Zweitplatzierte in diesem Ranking gerade mal halb so viele Titel für sich beanspruchen kann. In seiner Geschichte, die natürlich auch die Zyklen des Auf und Ab kennt, ist immer wieder zu beobachten, dass sich hier die Besten der Besten ansammeln und sich beinahe schon gegenseitig auf die Füße treten.

Es könnte also kaum mehr Anlässe geben, diesen Verein und seinen Mythos einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Dafür kennt der hiesige Markt mit Dietrich Schulze-Marmeling und Hardy Grüne zwei Autoren, die sich für ein solches Unterfangen perfekt eignen. Idealerweise haben die beiden beschlossen, dieses Projekt gemeinsam anzugehen. Herausgekommen ist dabei das beim Werkstatt-Verlag erschienene Buch "Die Königlichen – Die Geschichte von Real Madrid". Anlassbezogen kommt es weiß glänzend in einem stolzen Hardcover-Format daher. Auf knapp 250 Seiten verarbeiten die beiden Autoren rund 120 Jahre Real Madrid und stoßen dabei auf viele glorreiche Epochen, aber auch Kapitel, die die Madridista sicherlich gerne mit dem Mantel des Schweigens bedecken möchten. Während Hardy Grüne für die Gründerjahre bis zum Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges verantwortlich zeichnet, widmet sich Dietrich Schulze-Marmeling der Franco-Ära, dem Übergang in die Moderne sowie dem Hier und Jetzt.

Wie immer steckt selbst für Fußball-Experten in Büchern dieser beiden Autoren so viel Informationsgehalt, dass man am Ende der Lektüre garantiert schlauer ist als noch in den Tagen zuvor. Dies beginnt sogleich mit der Gründung des Vereins, dessen eigentliches Gründungsdatum viel weiter als das offizielle Datum zurückliegt. Bei letzterem handelt es sich nämlich lediglich um den Zeitpunkt der Meldung und Eintragung in das spanische Vereinsregister. Auch prekäre Themen wurden von den Autoren gut recherchiert, insbesondere sind natürlich die Nähe zu Franco sowie die stete Verbindung mit den Mächtigen und das Image als Regime-Klub genauere Betrachtungen wert. Ohne die Ergebnisse der Recherchen vorwegzunehmen, lässt sich festhalten, dass die Autoren an dieser Stelle einen hervorragenden Job gemacht haben und zu sehr präzisen und differenzierten Aussagen gelangen.

Wer die Bücher von Dietrich Schulze-Marmeling kennt, wird auf bekannte Strukturen stoßen, gerade ab Mitte der Fünfziger Jahre wird das vorliegende Buch zu einer chronologischen Abarbeitung der Ereignisse, garniert mit etlichen Highlights, die die "Königlichen" in den vergangenen siebzig Jahren produziert haben. Angefangen mit den Siegen in den ersten fünf Austragungen des Europapokals der Landesmeister und ihren genialen Protagonisten, die seinerzeit den europäischen Fußball verzauberten. Aber auch in den Dellen der Erfolgsgeschichte Real Madrids finden sich zahlreiche Bezugspunkte gerade zum hiesigen Fußball. Netzer, Breitner oder epische Niederlagen gegen den FC Bayern, von den Real-Fans ehrfurchtsvoll als "bestia negra" bezeichnet. Schmunzeln mag man über die "Galaktischen", deren Zusammenstellung unglaublich kostspielig war und die Besten des Planeten zusammenbrachte, die jedoch praktisch keine Titel zu gewinnen vermochten.

Besonders in Erinnerung wird beim vorliegenden Buch bleiben, was die Autoren über den Verein und seine Werte zum Besten geben, wenn sie über die "Würde" von Real Madrid sprechen und wie diese von allen Vereinsangestellten zu leben ist. Deutlich wird dabei, dass die Ära Mourinho als absoluter Gegenentwurf dazu niemals funktionieren konnte, da José Mourinhos Verhalten am Seitenrand sowie der von ihm vermittelte Stil auf dem Platz nie durch Erfolge und Titel hätten kompensiert werden können. Der Mythos "Real Madrid" steht eben über allem und kein Spieler, kein Trainer, selbst der mächtige Pate Santiago Bernabéu werden jemals mehr Bedeutung erlangen können als der Verein. Dies ist letztlich die Quintessenz, die die beiden Autoren in ihrem mehr als gelungenen Buch "Die Königlichen" vorzüglich herausgearbeitet haben.

Christoph Mahnel 
31.07.2023

 
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Das Buch:

Hardy Grüne, Dietrich Schulze-Marmeling: Die Königlichen. Die Geschichte von Real Madrid

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Bielefeld: Verlag Die Werkstatt 2023 256 S., € 24,90 ISBN: 978-3-7307-0656-5

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