Biographie
Briefe zur Biographie
Hand aufs Herz: Wer hat ?Ulysses? gelesen? Selbst belesene Leute sehen bel?mmert drein, wenn sie gefragt werden. Unmissverst?ndlich bekannte Gerhart Hauptmann: ?Meine Lesekraft ist dran gescheitert?. Der stets vorsichtiger formulierende Thomas Mann gab zu, da? ihm ?der direkte Zugang zu dem Sprachwerk? verschlossen blieb. An dem vor ?ber acht Jahrzehnten erschienenen Roman ?Ulysses? scheiden sich noch immer die Geister. Viele sind an James Joyce und seinem ?Ulysses? gescheitert.
?ber den irischen Schriftsteller wurde weit, weit mehr geschrieben, als er geschrieben hat. Kein Wider hat Joyce oder seinem Werk wirklich geschadet. Auch ohne Nobelpreis ?berragt James Joyce (1882-1941) viele Ausgezeichneten. Der Ire, der ?berwiegend in Zentren des kontinentalen Europas lebte, ist zu einem Mythos der Welt-Literatur geworden. Den wer in die Welt setzte? Das ist nicht die Hauptfrage, die sich der Anglist J?rg W. Rademacher stellte, der sich ermutigt f?hlte, die Linie der Joyce-Literatur zu verl?ngern. Ermutigt, da seine Wilde-Biographie regen Zuspruch bekam.
Zum Mythos Joyce geh?ren die oft kolportierte Spr?digkeit und Unnahbarkeit des Schriftstellers. Rademachers Lebens-Werk-Darstellung ist nicht ohne Spr?digkeit. Offenbar hat das Original abgef?rbt, obwohl sich der Biograph redlich bem?hte, ?ber Joyce zu schreiben, ohne ?am Mythos? zu schreiben. Der Verfasser hat sich seine Arbeit nicht einfach machen k?nnen, denn der Stoff Joyce ist tats?chlich spr?der Stoff. Allein den Wegen des Iren mit nomadischen Neigungen nachzugehen, ist eine aufwendige Angelegenheit, die einen Autor aus der Bahn werfen k?nnte. Rademacher listet auf, wann die Familie Joyce in welche Wohnung wechselte, ohne Auskunft ?ber das Wohnen der Joyces zu geben. H?ufig fehlen den Darstellungen die Details, die Orte, Situationen, Stimmungen deutlich genug machen. Vieles bleibt nicht im Ged?chtnis haften, weil dem Autor die Mitteilung von Fakten wichtiger ist als das fesselnde Schildern. Ausschm?ckende Schilderungen, die sich amerikanische Biographen gern leisten, vermeidet Rademacher. Nicht nur, weil er kein Mythen-Schreiber sein m?chte. Rademacher bevorzugt biographische Verb?rgtes.
Vor allem Briefe, die Joyce mit Vorliebe nutzte, um seinen Lebenslauf zu steuern. Salopp gesagt: Briefe hielten den Joyce am Laufen. Als authentischste Selbst?u?erungen des Schriftstellers gelesen, sind die Briefe f?r den Biographen die geeigneteste Grundlage gewesen, um seine Joyce-Chronik zu verfassen. Die Biographie lebt von den Briefen, durch die Briefe. Einige Abschnitte des Buches sind Dokumentationen der Briefe, die der ?Ulysses?-Vater schrieb oder die ihn erreichten. Rademachers spr?de Darstellung hat auch mit dem Wechsel von Dokumentierung zum Bericht, zur Schilderung zu tun. Versachlichung und Pr?zisierung verweigern sich zwar dem Mythos, sind aber auch kein Futter, das den Menschen James Joyce menschlicher zeigt. Betrachtern des Portr?ts, das Rademacher entwickelte, bleibt Joyce eher H?lle denn Inhalt. So sehr sich der Biograph auch bem?hte, mit kritischen Bemerkungen Unvollkommenes, Unleidliches, Unertr?gliches dem Charakter des Portr?tierten zuzuordnen.
Sagt Rademacher rigoros: ?Joyce t?nt hier nur?, greift er nicht nur in postalische ?u?erungen ein. Rademacher urteilt radikal. F?r ihn ist James Joyce nicht nur ein Mensch, der als S?nger wie Schriftsteller eine starke Stimme hatte, sondern im Menschlichen gewieft zu t?nen wusste. Stets zum Vorteil des literarischen Unternehmens, das James Joyce war, vertrat und verteidigte wie sonst nichts. Wenn das kein Mythos ist? ! J?rg W. Rademachers Buch ?James Joyce? bringt den Mythos nicht ins Wanken. Jedes Buch zu Joyce ist ohnehin ein Beitrag, der den Mythos stabilisiert. Vielleicht lebt eine Legende nur so lange, solange sie angestarrt wird. Hat jemand was von Lesen gesagt?
Bernd Heimberger
06.09.2005