Biographie
Erinnern heißt ehren
Ach, wären wir alle doch so uneitel, wie Wolfgang Hilbig (1941-2007) uneitel gewesen ist! Dem ist aber nicht so! Deshalb ist auch Eitles in den Texten über Wolfgang Hilbig zu finden. Und sei´s, um die eigene, unabänderliche, einzigartige Art des Schreibens in die Erinnerungen an Hilbig hineinzuschreiben. Getan haben dies acht Autoren, die Mitautor und Herausgeber Michael Buselmeier einlud, ihre "Erinnerungen an Wolfgang Hilbig" zu notieren. Das heißt an einen Menschen, von dem Nachruf-Verfasser Uwe Kolbe sagt: "Wir wissen nichts über den Mann...". Um dann mitzuteilen, was er an Nichtwissen über den Mann parat hat. Auch eine Möglichkeit, sich Wissen beizubringen? Uneitel? Nein!
Vergessen wir den Mann, von dem wir immer nur wissen werden, dass wir eigentlich nichts von ihm wissen? Halt! Das kann doch nicht sein! Weil das nicht sein soll? Nein! Natascha Wodin hält das Bild des nackten Mannes als nackter Mann hin ("Der Gottesbeweis"). Sie hat es im Blick. Sie kann es hin- und hochhalten. Sie hat dreizehn Jahre ihres Lebens mit Wolfgang Hilbig "geteilt", wie sie schreibt. Dreizehn Jahre, die Hilbig mit Wodin "teilte"? Als Schriftsteller Solist, war er der auch als Mann. Wolfgang Hilbig war ein Unteilbarer. Wodin spricht nicht darüber. Sie spricht davon, was das bedeutete. Sie spricht über Hilbigs Sprachbesessenheit, über seinen Schreibzwang. Wodin hat die Szenen dafür. Und die für den verletzten, verletzlichen Mann. "Ich glaube nicht, dass er ein Mensch war, der wissen wollte..."!. Wolfgang Hilbig wusste sich in jedem Satz, mit jeder Seite. Er war, wie er war, was und wer er war, in seiner Literatur. Älter und älter werdend wurde er immer wortkarger, wenn Literatur das Thema war. Hilbig war kein Redner. Er war der Schreiber. Und sein Schreiben – so und so – das Unerreichbare. Der Schreiber mochte das Dekor der Eitelkeiten nicht. Hilbig brauchte keine Interpretationen. Nicht zu seiner Person. Nicht zu seiner Literatur.
Und nun, so ein Huldigungs-Buch! Eines in dem oft genug der "Dichter Hilbig" gefeiert wird. Fürchterlich? Der Gefeierte hätte es reglos-freundlich hingenommen. Hätte hilflos dagesessen wie ein plötzlich schutzlos Gewordener. Den Uneitlen gefährdeten die Eitlen wie die Eitelkeiten. Wollte er "nicht wissen" – und wusste doch? Wollten die wohlmeinenden Freunde nicht wissen – und wussten doch? Wer weiß wirklich was? Erinnern wir uns an einen "lieben, etwas ungeschickten Kerl" (Wodin). An einen Schriftsteller, in dem "die DDR einen wirklichen Arbeiterdichter gehabt" hätte, den, neben Handke, "wahrscheinlich bedeutendsten Schriftsteller meiner Generation", wie Natascha Wodin sagt. An vieles ist zu erinnern. Mehr als in "Erinnerungen an Wolfgang Hilbig" aufgehoben ist. Die verlässlichste Erinnerung bleibt die bleibende Literatur des Wolfgang Hilbig. Aufbewahrt für alle Zeit! Das Erinnerungs-Buch erinnert auch an Wolfgang Hilbigs Bücher. Darauf kommt es an! Ohne Eitelkeit gesagt.
Bernd Heimberger
02.03.2009