Erzählbände & Kurzprosa

Der Tod in unserem Bewusstsein

Es ist ein ungewöhnliches Buch, was Jo?e Sirec vorgelegt hat. "Meine Aphorismen über den menschlichen Tod" ist ein ernstes Buch, das nachdenken lässt. Eröffnet wird es mit einem Bildausschnitt von Auguste Rodins "Denker" aus dem Jahr 1880. Und diese Skulptur des "kreativen Giganten" Rodin zeigt deutlich auch das schier Unmögliche dieses Nachdenkens. 

Man erfährt auf dem Umschlag, dass die Aphorismen des heute Neunzigjährigen "agnostisch begründet" sind. Das führt zur Agnostik selber, dieser unerhört ehrlichen Haltung, die von der Unerklärbarkeit ausgeht und schon Menschen wie den inzwischen emeritierten Papst Benedikt faszinieren konnte, auch wenn er deren Praxistauglichkeit in Zweifel zog. 

Man tut gut daran, die Lektüre dieser vielen Aphorismen, diese Betrachtung letztlich philosophischen Gedankensplitter als Gratwanderung eines Fragenden zu erkennen. Was wissen wir, was können wir überhaupt wissen? Und was leuchtet uns ein, drängt in unser Bewusstsein? Wie viel davon ist auch bloß gewünscht, weil der Tod nach Umgehung verlangt? Glaubt man an ein Leben nach dem Tod, weil es - wie  Sirec schreibt - schwerer ist, an einen endgültigen Tod zu glauben? Der Autor erwähnt, wie der Leser erwarten wird, auch die Tabuisierung des Todes. Für ihn, den Wahrheitssuchenden und Ehrlichen, ist sie eine "erfolglose Flucht vor der Wirklichkeit". 

In vielen Passagen bietet der Autor eine Relativierung dessen an, was an Erklärungen zum Tod vorhanden ist oder auch erst gewagt wird. "Aphorismen über den menschlichen Tod", schreibt Sirec, "sind wegen ihrer höheren intellektuellen Beanspruchung nur begrenzt lesbar." Sind das Eingeständnisse unserer Überforderung gerade in diesem heiklen Lebensbereich, wo sich alles daran macht, dem Leben zu entwischen? Je mehr man über den Tod nachdenke, sagt Sirec, desto größere Rätsel werde man entdecken. Und schließlich kann man sich als Leser jederzeit zurücklehnen mit dem Hinweis, dass der in Slowenien lebende Jo?e Sirec ganz klar "seine" Aphorismen vorgelegt hat, wie er im Buchtitel unterstricht. Damit wird das Buch nicht zu einem alleswisserischen Diktat, sondern zu einem unverbindlichen Angebot des Agnostikers. 

Und doch: "Den Weisen kann der Tod nicht überraschen." Also lohnt sich der Prozess des Sich-bewusst-Machens doch. Vieles steht denn auch unverrückbar in Sirecs kleinem Buch. Der "vorprogrammierte Tod" findet sich als stehende Wendung immer wieder. Und viele Sätze stehen mit einem Punkt da, nicht mit einem Fragezeichen, so auch der Ausspruch: "Jedermann stirbt auch mit seinem Gott oder Nicht-Gott."

Es ist kein trostloses, endlos trauriges Buch - trotz allem nicht. Sich mit seinem vorprogrammierten Todesurteil abzufinden, bedeutet nach Sirec auch nicht, auf das Leben zu verzichten - eine wohltuende Erkenntnis! Folgerichtig schreibt er einige Seiten weiter hinten, dass es von Nutzen sei, sich bewusst zu machen, dass uns das Leben für eine ganz bestimmte Zeit gegeben, eben nur geliehen sei. 

Der Autor gibt uns auch Rätsel auf, die das Lesen erst recht spannend machen. So stellt er die These auf, dass in unseren Einschätzungen des Todes die Emotionen stärker irren als der Verstand. Ein Satz, der anregt und provoziert, aber schon im Buch seine Assoziationen findet. Wenn sich der Verstand mit dem vorprogrammierten Tod nicht abfinden könne, dann erledige das die Zeit.

Ronald Roggen 
18.03.2013 

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Jože Sirec: Meine Aphorismen über den menschlichen Tod

CMS_IMGTITLE[1]

Frankfurt am Main: Weimarer Schiller-Presse 2012
94 S., € 11,80
ISBN: 978-3-8372-1158-0

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.