Wissenschaften

Eine Zeitreise in die letzten Tage von Pompeji

Pompeji - eine Stadt, die wie keine andere als Synonym für eine Naturkatastrophe steht, nämlich für den verheerenden Vulkanausbruch, der im Jahre 79 n. Chr. über diese Stadt kam. Damals ergoss sich der nahegelegene Vesuv über die Küstenregion und tötete Tausende von Menschen in Pompeji sowie den nahegelegenen Orten Herculaneum, Stabiae und Oplontis. Obgleich die Katastrophe vor mittlerweile fast zwei Jahrtausenden geschah, liegen heutzutage sehr viele detailreiche Kenntnisse über den Ausbruch und den Zustand, in dem Pompeji davon überrascht worden war, vor. Zum einen erstatteten die Briefe eines Augenzeugen, die Rede ist natürlich von Plinius dem Jüngeren, Bericht darüber, zum anderen hatte der Auswurf der Vesuvs einen wunderbar konservierenden Mantel über das antike Pompeji gelegt, der peu à peu in den vergangenen Jahrhunderten gelüftet wurde und unvergleichliche Einblicke in das Leben der Menschen in dieser Stadt zum Zeitpunkt des Ausbruchs bietet.

Der italienische Geschichtsjournalist Alberto Angela berichtet in seinem neuesten Werk "Pompeji" über eben diese größte Tragödie der Antike, wie der Untertitel des Buchs diese Katastrophe sogleich historisch einzuordnen versucht. Angela selbst ist in seinem Heimatland als Moderator einer Wissenschaftssendung bei RAI einem breiteren Publikum bekannt, aber auch hierzulande haben einige seiner ins Deutsche übersetzten Bücher zahlreiche Abnehmer gefunden. Er versteht es nämlich ganz hervorragend, geschichtliche Fakten und aus archäologischen Ausgrabungen gewonnene Erkenntnisse anschaulich zu machen und massentauglich darzustellen. So hat er in einem seiner letzten Bücher "Vom Gladiator zur Hure" den Weg einer römischen Münze durch die Hände vieler verschiedenen Menschen skizziert und dabei einen Streifzug durch das gesamte Imperium Romanum unternommen, um spielerisch über dieses und jenes zu plaudern.

In "Pompeji" heftet sich Alberto Angela nun an die Fersen mehrerer Protagonisten. Da wäre beispielsweise gleich zu Beginn die alleinstehende Adelige Rectina, deren Aktivitäten er während der letzten drei Tage Pompejis - so übrigens der Titel im italienischen Original - verfolgt. Dabei taucht der Leser ganz unbewusst ein in den Alltag vieler Protagonisten unterschiedlichen Standes. Der Autor streift allerlei Themen, indem er den Leser an die Hand nimmt und mit ihm durch die Gassen Pompejis schlendert. Der Blick wird immer wieder in Richtung des Berges gewendet, von dem aus das Unheil einbrechen wird. Interessant sind dabei vor allem die vielfältig zu beobachtenden Phänomene in den Tagen vor der Katastrophe, die eigentlich Indizien dafür hätten sein können, von den handelnden Personen jedoch meist anderweitig interpretiert worden waren. Wer rechnet auch schon mit der verheerenden Explosion eines ganzen Berges, nur weil die ansonsten einwandfrei funktionierende Wasserversorgung zum Erliegen gekommen ist?

Der Autor richtet seinen Fokus jedoch nicht nur auf die heute für diesen Vulkanausbruch berühmte Stadt Pompeji, sondern auch auf die umliegenden Ortschaften, von denen einige das Glück haben sollten, dass der Kelch der Katastrophe an ihnen vorüberging. Mit den teilweise sogar historisch belegten Protagonisten unternimmt Angela auch noch den einen oder anderen Ausflug aufs Land, um dortige Villen zu besuchen und den Leser durch pompöse Behausungen zu führen. Dramatisch wird es schließlich, wenn das Szenario auf den "point of no return" zusteuert und die Menschen zu erahnen beginnen, was da über sie hereinbrechen wird, wenn dramatische Massenfluchten einsetzen, der Ascheregen herniedergeht und sich die Säule des Ausbruchs kilometerweit in den Himmel erstreckt, bevor schlussendlich die verschiedenen Surgen rasend schnell über Pompeji und seine Bewohner hinwegfegen und für Jahrhunderte unter sich begraben.

Im vorliegenden Buch rüttelt der Autor sehr glaubhaft an der bisherigen August-These, dass nämlich der Ausbruch Ende August 79 vonstattengegangen sei. Vielmehr spricht die gesamte Indizienlage, beispielsweise die beobachteten und weit fortgeschrittenen Ernte-Aktivitäten, deutlich dafür, dass die Katastrophe tatsächlich erst Ende Oktober über Pompeji hereingebrochen war. Trotz des Plaudertons, mit dem Alberto Angela durch das Buch führt, hat man immer das Gefühl Seite an Seite mit einem sehr kompetenten Experten unterwegs zu sein. Der Autor lässt einen faszinierten Leser zurück, der - sofern noch nicht geschehen - unbedingt die südöstlich von Rom gelegene Ausgrabungsstätte aufsuchen möchte, um sich mit eigenen Augen vor Ort ein Bild davon zu verschaffen, nachdem er über 500 Seiten lang mit den Menschen Pompejis gehofft und gebangt hat. "Pompeji" ist ein Paradebeispiel dafür, dass wissenschaftliche Erkenntnisse auch unterhaltsam transportiert und jedermann zugänglich gemacht werden können.

Christoph Mahnel
30.01.2017

 
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Das Buch:

Alberto Angela: Pompeji - Die größte Tragödie der Antike. Aus dem Italienischen von Elisabeth Liebl

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München: Goldmann Verlag 2016
512 S., € 26,00
ISBN: 978-3-442-31427-0

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