Wissenschaften
Die perfekte Medizin für chronische Schwarz-Weiß-Denker
Manche reden von einem jahrtausendelangen Kampf zwischen den M?chten des Guten und des B?sen. Andere interpretieren die Unterscheidung in Licht und Schatten, den ber?hmten zwei Seiten der Medaille, als ein von Menschen entworfenes Konzept und sind der Auffassung, dass es ohne das B?se kein Gut geben kann und umgekehrt. Peter Kampits, Professor der Philosophie, schickt sich nun an, eine Bestandsaufnahme ?ber eine Thematik abzuliefern, deren Komplexit?t sich erst auf den zweiten Blick erschlie?t. Welche Auffassungen von Gut und B?se, welche Schattierungen, welche verschiedenen Arten der Unterscheidung kennen wir? Und wie manifestiert sich, was wir Gut und B?se nennen, in unserer heutigen Welt, unserer heutigen Gesellschaft? Und k?nnen wir seine verschiedenen Erscheinungsformen analysieren, ja kategorisieren?
?ber die Schwierigkeit einer exakten Definition beider Konzepte ist sich Kampits vollends im Klaren und beginnt mit der Beleuchtung einer Thematik, die wohl die wenigsten erwartet h?tten: Den Leser erwartet die Darstellung von Gut und B?se im M?rchen anhand des kompletten Textes von "H?nsel und Gretel", denn laut Kampits sind in dem bekannten M?rchen der Br?der Grimm nahezu s?mtliche Schattierung von Gut und B?se enthalten. Doch im Reich der oftmals grausamen Volkserz?hlungen mit eingeflochtener Moral verweilt der Wiener Philosoph nicht lange. Vielmehr geht Kampits bereits kurz darauf zu einer Vielzahl an naturwissenschaftlichen und soziobiologischen Erkl?rungsversuchen ?ber. Hier konfrontiert er den Leser mit Thesen von Wissenschaftlern wie Richard Dawkins und Simon Fisher, wobei es ihm spielend gelingt, ihre Essenz auch Lesern ohne jede Vorkenntnisse zu vermitteln. Als n?chstes beleuchtet Kampits Freuds ber?hmte Psychoanalyse mit durchaus erstaunlichen Resultaten. Und selbstverst?ndlich darf die Thematisierung der Darstellung von Gut und B?se in der Religion genauso wenig fehlen.
Schnell wird deutlich, dass "Wer sagt, was gut und was b?se ist?" auf die philosophische Beleuchtung der Thematik mit am meisten Wert legt. Der Leser wird so beispielsweise in den Existenzialismus Jean-Paul Sartres eingef?hrt, in dem die uneingeschr?nkte Freiheit des Menschen eine wichtige Rolle spielt. Und selbstverst?ndlich ist das Konzept der Freiheit von enormer Wichtigkeit, wenn es um ein Themengebiet geht, das derma?en leicht mit Konzepten wie Ethik und Moral in Verbindung gebracht werden kann. Denn wenn der Mensch grunds?tzlich frei ist, ist er auch f?r sein Tun voll und ganz verantwortlich, was die Frage nach Gut und B?se in einem g?nzlich anderen Licht erscheinen l?sst. Naturwissenschaftler w?rden Sartre ohnehin widersprechen, denn f?r sie sind wir generell Sklaven der chemischen Vorg?nge in unserem K?rper. Doch auch hiermit ist das Wissen des Philosophieprofessors nicht ersch?pft ...
Wollten Sie nicht schon immer einmal wissen, wie Hirnforscher die Frage nach Gut und B?se betrachten? Oder wie auch die grausamsten Kriegsverbrecher ihre Taten rechtfertigen? Oder warum die Antagonisten in M?rchen so oft weiblich sind? Die Antwort auf diese Fragen ist nur ein winziger Bruchteil des beeindruckend vielseitigen Fundus an Wissen, den Peter Kampits f?r den geneigten Leser bereith?lt. Denn eins wird bereits auf den ersten Seiten deutlich: Hier wird weit mehr als blo? philosophische Schaumschl?gerei geboten.
"Wer sagt, was gut und was b?se ist?" liefert handfeste, bestechend effizient wie kurzweilig strukturierte Fakten aus einer Vielzahl unterschiedlichster Blickwinkel auf ein Thema, das so viel mehr erlaubt als Schwarz-Wei?-Malerei. Zudem legt es Kampits in keinster Weise darauf an, den Leser zu beeinflussen oder zu manipulieren. Die Antwort auf die Frage zu finden, die der Buchtitel stellt, obliegt letztendlich ihm selbst. Und der Weg dorthin k?nnte f?r ihn informativer und inspirierender nicht sein. Ein hervorragend konzipiertes und verfasstes Werk voller teils erstaunlichem Wissen, das absolute Pflichtlekt?re f?r alle ist, die sich mit seiner Thematik besch?ftigen wollen. Die perfekte Einstiegsdroge ins Reich der Philosophie.
Johannes Schaack
18.04.2011