Wissenschaften

Eine Kurzgeschichte des Rezensierens

Keiner wird mehr bestreiten, dass Literaturkritik als Teildisziplin eines umfassenden Rezensionswesens, das sich über alle Gebiete kulturellen Wirkens erstreckt, eine wichtige Rolle spielt. Gerade in Zeiten massenhafter Bücherproduktion übernimmt sie eine leitende Funktion, wenn es darum geht, sich einen sortierenden Überblick über Neuerscheinungen auf dem Markt einzuholen. Wenn Literaturkritik zudem dazu anregt, sich intensiver mit der Lektüre auseinanderzusetzen, so hat sie ihr hehrstes Ziel erreicht; eine ansprechende Rhetorik tut ihr Übrigens, um die Rezension selbst zum literarischen Kleinod werden zu lassen.

Wer das Wesen und Walten des deutschen Rezensionswesens durch die Jahrhunderte fassen will, dem sei der vorliegende Band anempfohlen. Die informativ äußerst dichten Kapitel, die nach den bekannten literaturgeschichtlichen Epochen (Aufklärung, Sturm und Drang usw.) benannt sind, bündeln die besonderen Merkmale literaturkritischen Schreibens einer Zeit, um hernach auf Kritikerpersönlichkeiten sowie Institutionen bzw. Medien der Literaturkritik näher einzugehen.

Die Autoren legen dabei neben gattungsimmanenten Fragen des Stils und der Argumentationsweise großes Augenmerk auf die Einbettung in den gesellschaftlichen Kontext, in dem geschrieben wurde: Zur Zeit des NS-Regimes eröffnet Klaus Mann im Exil - denn nur jenseits von Bücherverbrennungen ist so etwas wie (Literatur)Kritik überhaupt möglich - die sog. Expressionismusdebatte (1937/38). Und in der DDR hat sich der Kritiker genau wie der Schriftsteller dem Credo des sozialistischen Realismus zu unterwerfen, um unter den wachsamen Augen der Zensur zu bestehen, während im westlichen Teil Deutschlands die Buchsprechungen den Unmut der 60er Jahre artikulieren.

"Literaturkritik" schafft eine solide Basis für das Selbststudium, das durch weiterführende Literatur wie auch Anleitung zum eigenen Schreiben angeregt wird; es baut das theoretische Gerüst, dessen sinnliche Fülle vor allem durch die subjektive Nachlese von Rezensionen erwächst.

Nicht zuletzt leistet das Buch, das sich erklärtermaßen vor allem an Studenten der Literaturwissenschaft wendet, einen produktiven Beitrag zum Gespräch zwischen (Literatur)Wissenschaft und (Literatur)Kritik, das auf dem Germanistentag (zuletzt in München) immer wieder neu zur Disposition steht.

Nicole Stöcker
20.08.2005

 
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Das Buch:

Thomas Anz, Rainer Baasner (Hrsg.): Literaturkritik. Geschichte/Theorie/Praxis

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München: Verlag C. H. Beck 2004
272 S., € 12,95
ISBN: 3-406-51095-7

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