Wissenschaften

"Daß Gott ein Tätigkeitswort werde"

Der als Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Universität zu Köln tätige Hans-Joachim Höhn versucht in diesem kleinen Buch, einem von inzwischen sechs Bänden der Reihe GlaubensWorte, "eine neue Sprachform für die Rede von Gott" vorzustellen. Gemeint ist damit, die substantivische Weise der Rede von Gott zu verbalisieren, "daß Gott ein Tätigkeitswort werde" (Kurt Marti). Höhns theologischer Ansatz geht zurück auf die sogenannte Existenzphilosophie und die analytische Sprachphilosophie der fünfziger und sechziger Jahre und ihre theologische Rezeption.

Angesichts der von Höhn u.a. diagnostizierten Naturalisierung des Menschen, seiner Reduktion auf natürliche Bedingungen, die durch die Neurophysiologie, die Psychologie, die Soziologie und die Geschichtswissenschaften beschrieben werden, gerät die biblische Erfahrung der Geschöpflichkeit des Menschen zunehmend in den Hintergrund. Dies geht einher mit einem Bedeutungs- und Sinnverlust, einer "Dezentrierung" und "Depotenzierung" (22) der sogenannten "Subjektivität" (was dies auch immer sein mag). In dieser Situation soll die Frage, "was es mit dem Menschen letztlich auf sich hat" neu gestellt und beantwortet werden, da die alten Antworten, so Höhn, heute nicht mehr ausreichen. Hinter dieser Frage steht die Hoffnung, daß der Mensch nicht in seinen natürlichen Bedingungen aufgeht, sondern daß es mit all dem letztlich noch was anderes auf sich hat. Die Antwort auf die Frage hängt nach Höhn, mit Bezug auf Immanuel Kant von den Antworten auf die Fragen ab, "was der Mensch wissen kann, tun soll und hoffen darf für sich und seine Welt" (37). Dem Leser stellt sich hier die Frage, ob die Antwort auf das, was der Mensch ist, nicht vielmehr davon abhängt, was er ist. Gehört nicht auch sein Wissen, Tun und Hoffen zu dem, was er ist?

Die Erkundung dessen, was der Mensch ist, "was es mit dem Menschen letztlich auf sich hat" beginnt, wie sollte es anders sein, mit dem Anfang. Dieser Anfang ist aber nicht so sehr ein früherer Zeitpunkt, sondern er ist jetzt. Der Mensch ist anfänglich. Der Mythos macht diese Erfahrung deutlich. "Er ist ursprüngliches Denken und Denken des Ursprungs" (43). "Indem sie nach dem ‚Woher‘ des Daseins fragen, wollen sie zugleich erschließen, ‚woraus‘ der Mensch bis auf den heutigen Tag leben kann, Identität und Sinn findet" (45). Ein solcher Mythos ist auch die biblische Schöpfungserzählung. Sie muß, so Höhn in Übereinstimmung mit Bultmann, für uns Heutige "entmythologisiert" werden, damit dieser Mythos uns wieder zugänglich wird. Wer Bultmanns Projekt der Entmythologisierung etwas näher kennt, fragt sich allerdings, ob er nicht bloß eine neue, weit unverständlichere Mythologie erzeugt hat.

Immerhin spricht der biblische Schöpfungsmythos bis heute immer wieder Menschen an, unmittelbar und ohne ‚hermeneutische Interpretation‘. Von der ‚entmythologisierten‘ Theologie kann dies wohl kaum behauptet werden. Höhn, wie bereits Bultmann, geht es um eine ‚existenziale‘ Interpretation des Schöpfungs-Mythos. Was ist damit gemeint? "(I)hn (den Mythos) als Reflektion auf paradoxe Grundbestimmungen des menschlichen Daseinsvollzuges verstehen, der es um Deutung und zugleich um Bewältigung dieser Daseinsparadoxien geht" (49). Eine solche Paradoxie sieht Höhn z.B. in der Frage, wie man eine Welt, wie die unsrige, bejahen kann, angesichts dessen, daß der Mensch in ihr immer entbehrlicher und überflüssiger wird.

Im Kapitel mit der Überschrift "Der Zwiespalt des Daseins und der Sinn der Schöpfung" (52 ff.) wird versucht, das Hervorgehen der Welt und des Menschen aus dem Unbestimmten, dem Leblosen, dem Chaos hin zu Bestimmung, Differenzierung und Unterschied als Anfang zu verstehen. "Denn man kann nicht anfangen, ohne einen Unterschied zu machen. Wo etwas anfängt, wird unterschieden zwischen vorher und nachher, zwischen Ruhe und Bewegung, zwischen dem Einen und dem Anderen. Anfangen bedeutet: eine Differenz markieren, die zu weiteren Unterscheidungen und Unterschieden führt" (53). Der Mensch ist schon bei den Griechen derjenige, der das Wort hat, der spricht und biblisch (Gen. 2,19) allen Dingen ihren Namen gibt und so Unterschiede setzt. Der Name, der den Geschöpfen gegeben wird, läßt sie "zu dem werden (...), was sie sind und was sie nach dem Willen dessen, der sie nennt, sein sollen" (60). Ob das nicht doch eine Überbewertung der Sprache ist?

Der Autor fährt fort mit einer Interpretation der Annahme der Welt durch Gott (‚Gott sah, daß es gut war‘), die eine Annahme der Welt durch den Menschen sinnvoll erscheinen läßt, denn keine weltimmanente Instanz ist letztlich in der Lage, die Frage zu beantworten, mit welchem Recht jemand auf der Welt ist. Diese Zusage kann nur von einer welttranszendenten Instanz kommen. Es ist die Zusage an den Menschen, daß seine Anwesenheit auf dieser Welt einen Sinn hat.

Weiterhin deutet Höhn mit der oben angesprochenen Methode die Bestimmung des Menschen als imago dei, als Bild Gottes in seinen verschiedenen Facetten, die Zeitlichkeit des Menschen, menschliche Verfehlung und Schuld als "Verkehrung wohltuender Unterschiede" (95 ff.), Unheimlichkeit und Daseinsangst (im Gefolge Kierkegaards, Heideggers und Drewermanns) und kommt schließlich im 4. Kapitel zu den Aporien des Daseins und des Glaubens: "als Verfassung des Widerstreits von Freiheit und Angst, von Geborgenheit und Rivalität. Eine überzeugende Antwort auf die Frage, was es mit dem Menschen im letzten auf sich hat, möchte der Verfasser der Schrift nicht geben. Es bleibt bei Teilantworten angesichts der Aporien des Daseins. "Wenn aus einem guten Anfang ein Ende kommt, das ohne Zutun dessen, ohne den nichts ist (Gott), alle Neuanfänge negativ grundiert, kann man dann zu einem solchen Anfang noch ‚ja‘ sagen? Wie kann man Gott, den Schöpfer, ohne den nichts ist, gemeinsam mit einer Welt akzeptieren, die ohne sein Zutun (bzw. wegen seiner Tatenlosigkeit) von Schuld und Angst, Unglück und Willkür, Tod und Unheil geprägt ist?" (109 f.).

Einige Hinweise zu möglichen Antworten, die ohne Rekurs auf Gott auszukommen glauben, werden im Abschnitt "Philosophische Ansätze zur Akzeptanz des Negativen" (111 ff.) vorgestellt und kritisch befragt. Höhn unterscheidet vier solcher Versuche, "für das ‚male‘ dieser Welt ‚bonifizierende‘ Funktionen zu behaupten: (a) ‚Aus Leiden klug werden‘ mit einer Funktionalisierung des Negativen. (b) Eine Abschwächung des Negativen im Sinne von ‚Das macht doch nichts‘. (c) Eine Moralisierung des Übels und (d) die Ästhetisierung des Übels. Unter der Überschrift "Gar nicht so übel?" verdeutlicht der Theologe den "Preis für die Entsorgung des Schlechten. Den Versuchen, das Übel aus der Welt zu vertreiben, werden schließlich theologische Ansätze zur Akzeptanz des Negativen gegenübergestellt und das Problem der Theodizee in neuer Weise erörtert. "Gott und das Leiden zusammenzudenken ist eine um des Menschen willen aufzunehmende Herausforderung" (138).

Es empfiehlt sich diese kleine Schrift nicht als wissenschaftlich-theologische Studie zu lesen, denn das ist sie zweifellos nicht, sondern als Essay, als literarischen Werk, das Hinweise für die eigene Sinnsuche geben kann. Zwar gebraucht der Autor durchgehend wissenschaftliche Begriffe aus der Philosophie und verschiedenen Einzelwissenschaften, doch bleiben diese Begriffe ungeklärt und werden nicht kritisch befragt, werden somit nicht in wissenschaftlicher Weise verwendet. So werden auch seit langem überholte philosophische Dogmen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts kritiklos übernommen und tradiert.

Das Buch ist lebendig und gut lesbar geschrieben und wird auf Menschen mit theologischem Interesse ebenso ansprechend wirken, wie auf Leser, die sich bei der persönlichen Sinnsuche nicht mit suggestiven und oberflächlichen Ideologien zufrieden geben wolle.

rhu
23.02.2002

 
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Das Buch:

Hans-Joachim Höhn: zustimmen. Der zwiespältige Grund des Daseins

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Würzburg: Echter Verlag 2000
151 S., € 12,80
ISBN: 3-429-02303-3

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