Wissenschaften

Überlebensstrategien der Tiere

Wenn es abends früher dunkel wird und die Tage langsam kälter werden, dann ist klar: Der Herbst steht vor der Tür. Jedes Jahr kann man dann am Himmel immer wieder das gleiche Phänomen beobachten: Vögel tun sich in Heerscharen zusammen, um gen Süden zu fliegen. Jährlich sind schätzungsweise 50 Milliarden Zugvögel weltweit unterwegs, die dann in warmen Gegenden wie Afrika oder Neuseeland den Winter verbringen und im Frühjahr wieder in ihre heimatlichen Gefilde zurückkehren. Dieses Verhaltensmuster besteht seit Urzeiten und regelt das Leben jener Vogelarten. Ihr Verhaltensmuster bestimmt demzufolge über Leben oder Tod und ist immer artspezifisch festgelegt, was auch das Buch "Überleben. Tiere und ihr Verhalten in der Wildnis" unter Beweis stellt.

Die Herausgeberin Charlotte Uhlenbroek gibt in zwei Themenbereichen alles wieder, was der Mensch über die Tierwelt wissen sollte. Im ersten Teil geht Uhlenbroek auf die tierische Anatomie ein. Schließlich gibt der Körper dem Lebewesen nicht nur seine typische Gestalt, sondern er ermöglicht erst die Bewegungen, Sinneswahrnehmungen und Reaktionen auf die Umwelt, die so charakteristisch für jedes Tier sind. Im Folgenden wird unterschieden zwischen Tieren mit Hydro- (Wirbellose), Protein- (Insekten), Kalk- (Schnecken) und Knochenskeletten, verschiedenen Arten der Bewegung (z.B. gehen und laufen, klettern und springen, graben, kriechen und gleiten, fliegen, schwimmen), den Bedeckungen des Körpers wie Haut, Schuppen, Federn und Fell und anderer Faktoren (z.B. Atmung, Temperaturkontrolle und Sinne), die das Leben jedes einzelnen Wesens unbewusst regulieren. Bereits an dieser Stelle wird für den Rezipienten deutlich, dass sich die Tierarten manchmal in großen, manchmal in kleinen Details voneinander unterscheiden, was sich wiederum auch im Verhalten äußert.

Im zweiten Teil wird ausführlich auf das Verhalten bei Tieren eingegangen, das im Urinstinkt fest verankert ist. Im Folgenden werden acht Themenbereiche behandelt, die alles umfassen, was ein Tier ausmacht: Es geht im Einzelnen um die Wahl des Lebensraums, den Jagdtrieb und das Fressverhalten (Unterscheidung in Pflanzen-, Alles-, Fleisch- und Aasfresser), Möglichkeiten des Schutzes (Waffen und Drohverhalten, Tarnung und Täuschung, Schutz in Gruppen), Sexualität und Fortpflanzung (asexuelle Fortpflanzung, Partnersuche, Konkurrenz, Balz und Paarung), Geburt und Entwicklung eines neuen Lebens (Lebenszyklen, Jungenaufzucht, Spielen und Lernen), das soziale Leben, Kommunikation und die Rolle der Intelligenz.

Der Aufbau der Kapitel ist stets gleich: Nach einer allgemeinen Einleitung, die dem Rezipienten einen kurzen Überblick über das Thema vermittelt, wird auf den folgenden Seiten in Steckbriefen auf verschiedenste Tierarten mit ihren "Besonderheiten" eingegangen, wobei manche mehr hervorstechen als andere. Man liest von der Schmetterlingsart Monarchfalter, die im Herbst in Massenwanderungen gen Süden zieht, Piranhas, die auch gerne mal Früchte und Samen fressen, nachwachsenden Armen bei Seesternen, Paarungsflügen der Feuerameise und noch unendlich vieles mehr. Und ganz nebenbei sieht man Bilder von Tieren aus den entlegensten Winkeln der Welt, von denen man bisher noch nie etwas gehört hatte.

Dem Dorling Kindersley Verlag ist mit "Überleben. Tiere und ihr Verhalten in der Wildnis" ein exzellentes Buch rund um die Tierwelt gelungen, das nicht nur Zoologen begeistern dürfte. Charlotte Uhlenbroek hat auf nur 440 Seiten zusammengefasst, was es alles über das Tierreich zu sagen gibt. Mit kurzen präzisen Charakteristika geht sie sowohl auf jene Arten ein, die inzwischen bis ins kleinste Detail erforscht sind und dementsprechend kaum Überraschungen bereithalten, aber ebenso auf Spezies, von denen die Wissenschaftler so gut wie noch nichts wissen.

Auch wenn die Texte eigentlich im Vordergrund stehen sollten, sind es besonders die 2800 Farbfotografien, die den Rezipienten magisch anziehen, sodass dieser den Blick nicht mehr loslassen kann. Man geht Seite an Seite mit Löwen auf die Jagd, fliegt mit dem Albatros über den weiten Ozean, schwimmt mit Barrakudas um die Wette und schaut Affen direkt in die Augen. Selten kann man Tiere so hautnah erleben wie in diesem Buch. Hat man doch beim Betrachten öfters den Eindruck, als würden sie gleich aus der Seite springen und neben einem stehen. "Überleben. Tiere und ihr Verhalten in der Wildnis" ist ein Erlebnis fürs Auge und für den Kopf. Dann also aufgeschlagen und fleißig studiert - wie es sich für ein Nachschlagewerk gehört.

Susann Fleischer
19.10.2009

 
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Das Buch:

Charlotte Uhlenbroek (Hg.): Überleben. Tiere und ihr Verhalten in der Wildnis. Aus dem Englischen von Michael Kokoscha und Dr. Hans W. Kothe

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München: Dorling Kindersley Verlag 2009
440 S., € 34,95
ISBN: 978-3-8310-1452-1

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