Wissenschaften

Der Einfallsreichtum der Natur

Die Definition des Wortes "Mord" besagt, dass dieser vorsätzlich und aus niederen Beweggründen geschieht. Er wird meist vom Täter sehr präzise vorbereitet und führt zum Tod des Opfers. Kann man dies auch auf die Tierwelt übertragen? Diese Antwort gibt Markus Bennemann im Vorwort seines Buches "Im Fadenkreuz des Schützenfisches. Die raffiniertesten Morde im Tierreich" selbst: Von Mord im engen Sinne kann man hier nicht sprechen. Der Grund dafür liegt in der Natur des Tierischen, denn entweder man frisst oder man wird gefressen. Einzig die Tötung des Opfers führt zum Überleben des Täters. Schließlich hat nicht jedes Tier vegetarische Neigungen.

In insgesamt 14 Kapiteln führt Bennemann jeweils drei Beispiele an, die nach folgenden Strategien arbeiten: Hausfriedensbruch (Tarantelwespe und Tarantel); Tödliche Tarnung (Kragenhirsch und Kaschmirhirsch); Verlockung (Prachtreiher und Koi); Begierde (Glühwürmchenweibchen und -männchen); Mörderbanden (Buckelwal und Hering); Serienmörder (Neuntöter und Eidechse), Psychokiller (Hermelin und Kaninchen); Scharfschützen (Pistolenkrebs und Weißshrimps), Hightechwaffen (Zitterall und Wildpferd), Mordwerkzeuge (Schwarzmilan und Buschtiere); Mission Impossible (Killerwal und Seelöwe), Heimliche Mörder (Seestern und Miesmuschel); Missverstandene Mörder (Fledermaus und Zugvögel); Mordkomplizen (Eisbär und Ringelrobbe). Dabei werden altbekannte "Killer" wie der Hai, das Hermelin, das Chamäleon oder das größte Landraubtier, der Eisbär, in ihrem Jagdverhalten genauer geschildert. Aber auch weniger bekannte Mörder wie der Marienkäfer oder das Eichhörnchen werden genannt und in ihren Jagdmethoden genauer erläutert. Als kleine Besonderheit gibt es bunte Bilder, die meist den Mörder in Aktion zeigen. Dabei wird der Schrecken gut dargestellt.

Wer beispielsweise schon einmal den Film "Findet Nemo" gesehen hat, kann sich sicherlich an die Szene erinnern, als Marlin und Dorie einem Anglerfisch begegnen: Sie schwimmen in völliger Faszination auf das kleine Lichtlein im ansonsten dunklen Meer zu und im nächsten Augenblick offenbart sich dahinter ein hungriger Fisch, der sein Maul weit aufsperrt. Dieses Phänomen findet auch in diesem Buch Beachtung. Als weiteres Beispiel kann man den Schwarzmilan nennen, der sich im australischen Busch der Methode des Feuers bedient. Er nutzt die Angst der Tiere vor dieser Naturgewalt aus, um sie an einen bestimmten Ort zu locken und dann zuzuschlagen. Nicht nur diese zwei Tierarten bedienen sich einfallsreicher Methoden, um ihrer Beute beizukommen, sondern auch die anderen in diesem Buch aufgeführten.

Aber nicht nur die Jagdmethoden werden einem nahe gebracht, sondern auch andere besondere Informationen, und zwar sowohl über den Täter als auch über das Opfer: angefangen von der Einordnung der zugehörigen Gattung (mit der jeweiligen lateinischen Bezeichnung der Art) bis hin zu Informationen zu Fortpflanzung und Lebensraum. Auf diese Weise dient das Buch gleichfalls als kleines Nachschlagewerk, ohne dabei den allzu schwierigen Definitionen in einer Enzyklopädie zu unterliegen. Falls man sich für dieses Thema noch mehr interessiert oder einem ein Beispiel besonders ins Auge gestochen ist, bietet das Quellenverzeichnis eine gute Hilfsmöglichkeit, um sich noch intensiver mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Die Sprache zeichnet sich durch eine präzise Darstellungskraft aus und baut eine Spannung auf - ähnlich wie in einem Krimi - die die Morde in den Mittelpunkt des Geschehens rücken. Man kann also froh sein, dass man als Mensch geboren worden ist und nicht jederzeit damit rechnen muss, verspeist zu werden.

Susann Fleischer
13.10.2008

 
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Das Buch:

Markus Bennemann: Im Fadenkreuz des Schützenfisches. Die raffiniertesten Morde im Tierreich

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Frankfurt am Main: Eichborn Verlag 2008
256 S., € 19,95
ISBN: 978-3-8218-5679-7

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