Wissenschaften
Eine Fundgrube an Wissen über die Geschichte Europas im 19. Jahrhundert
Zwischen 1815 und 1914 durchlief der europäische Kontinent eine drastische Transformation mit grundstürzenden Veränderungen in Kultur, Politik und Technik. Was in einer Dekade als modern empfunden wurde, war in der nächsten bereits veraltet. Großstädte schossen innerhalb einer Generation aus dem Boden, und neue europäische Länder gründeten sich. In der Zeit zwischen der Schlacht von Waterloo und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs beherrschte Europa den Rest der Welt wie niemals zuvor oder je wieder danach. Nun erfährt man mehr über diese Zeit dank Richard J. Evans. Ihm gelingt mit "Das europäische Jahrhundert" ein Geniestreich ohnegleichen in der Sachliteratur. Was man mit dem vorliegenden Buch in die Hände kriegt, übertrifft (fast) alles andere.
Während der Lektüre von "Das Erbe der Revolution", "Die Widersprüchlichkeit der Freiheit", "Der europäische Frühling", "Die soziale Revolution", "Die Eroberung der Natur", "Das Zeitalter des Gefühls", "Der Aufstieg der Demokratie" und "Die Auswirkungen des Imperialismus" unternimmt man eine einzigartig aufregende Reise in die Geschichte Europas des 19. Jahrhunderts. In jedem Kapitel blicken wir zunächst auf eine konkrete Person und ihr Schicksal, wie zum Beispiel auf das vom Steinmetz Jakob Walter (1788-1864), der als Soldat aus Württemberg in die Grande Armee des Napoleon eintrat, mit ihr nach Moskau und wieder zurück in die Heimat nach Ellwangen marschierte. So bekommen die Erlebnisse eine persönliche Note und man gerät zwangsläufig ins Nachdenken über das Geschehene.
Solch grandiose Sachliteratur mit großem Unterhaltungs- und noch größerem Wissensmehrwert wie mit "Das europäische Jahrhundert" kriegt man nur seltenst in die Hände. Von dieser Lektüre kann man nicht anders, als einfach hin und weg zu sein. Diese haut einen sogar glatt vom Hocker. Der britische Historiker gehört zur geschichtswissenschaftlichen Elite der großen "Erzähler". Seine Bücher zeichnen sich durch einen äußerst anregenden narrativen Stil aus. In diesen wird Geschichte zu einem (Lese-)Abenteuer, das man so schnell nicht mehr vergessen wird. Metahistorische Faktenvermittlung steht bei Evans neben Zitaten und Anekdoten, sodass die Menschen, über die er schreibt, sehr oft selbst zu Wort kommen. Hier kommt man sobald aus dem Staunen nicht heraus!
Ein noch nie dagewesenes Must-read in der Sachliteratur - nur wenige Publikationen vermögen wie "Das europäische Jahrhundert" ein ähnlich außergewöhnlich facettenreiches, überraschendes und unterhaltsames Panorama des 19. Jahrhunderts in Europa zu entwerfen. Mit seiner Faktenfülle hebt es sich von anderen Werken dieses Genres deutlich ab. Autor Richard J. Evans taucht tief ein in die Revolutionen und Kriege des 19. Jahrhunderts, schreibt aber auch über gesellschaftliche Verwerfungen, über Religion und Philosophie. Sein Sachbuch ist ein in jeder Hinsicht epochales Werk und erklärt uns auf einzigartige Weise das vergangene und das heutige Europa. Ohne jeden Zweifel: Selten hat man ein besseres, spannenderes und deskriptiveres Geschichtsbuch gelesen.
Die Sachbücher der Deutschen Verlags-Anstalt sind besonders wertvolle Juwelen in jedem Bücherregal. "Das europäische Jahrhundert - Ein Kontinent im Umbruch: 1815-1914" von Richard J. Evans gehört zu den "Nachschlagewerken", die man immer wieder begeistert zur Hand nehmen wird. Es bietet zwischen zwei Buchdeckeln solch einen Informationsreichtum, dass einem von der "Lektüre" ganz schwindelig wird. Diese ist noch berauschender als Drogen. Und macht einen klüger als alles andere.
Susann Fleischer
26.11.2018