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Von Edelmännern , Emporkömmlingen und deren Dienerschaft

London, 1841. Der ehrgeizige Geschäftsmann James Trenchard glaubt sich am Ziel seiner Träume. Der aus einfachen Verhältnissen stammende ehemalige Proviantmeister des Militärs hat sich nach oben gearbeitet und zählt nun als Investor des noblen neuen Stadtteils Belgravia, Londons feinster Adresse, zu den Neureichen der viktorianischen Gesellschaft. Er selbst residiert mit seiner Familie am Eaton Square, eine der teuersten Adressen Londons. Doch all das Geld und die harte Arbeit konnten ihm die Anerkennung und das Wohlwollen des Adels nicht erkaufen. Zwar eingeladen und geduldet, aber gleichzeitig von oben herab behandelt werden die Trenchards auf jeglichen Veranstaltungen der High Society Londons.

Ein lang gehütetes Geheimnis jedoch verbindet die neureichen Trenchards mit der Welt des alteingessenen Adels Englands, insbesondere der Familie der Brockenhursts. Kurz vor der Schlacht von Waterloo 1815 residierten sowohl die Trenchards als auch die Brockenhursts in Brüssel. Sophia, die junge, hübsche Tochter des Proviantmeisters, begann eine unangemessene Liaison mit dem Sohn der aristokratischen Brockenhursts. Die Liebe, die nicht sein durfte, bleibt nicht ohne Folgen. Sophia bringt einen Sohn zur Welt und stirbt im Kindbett. Um der Schande eines illegitimen Enkels zu entkommen, geben die Trenchards das Neugeborene in die Obhut eines Geistlichen. 25 Jahre später tritt Charles Pope, wie der Enkel der Trenchards und Brockenhursts nun heißt, in das Leben der beiden Familien und sorgt dafür, dass seine Großeltern in Erklärungsnöte und moralische Bedrängnis geraten.

"Belgravia", benannt nach dem nobelsten Stadtteil Londons, unweit des Buckingham Palace, hat all die Zutaten, die einen historischen Roman, der im viktorianischen England der 1840er Jahre spielt, ausmachen. Da gibt es die aristokratische Gesellschaft, die mit ihren Soirees und ihrem Standesdünkel den Hintergrund des Romans bilden. Dazu kommt die von der Aristokratie belächelte Klasse der Emporkömmlige, der Neureichen, die sich unter die High Society zu mischen versuchen. Die Verschmelzung der beiden Welten manifestiert sich in der Person des illegitimen Enkels, dem großen Geheimnis, das beide Familien ungewollt eint. Nicht zu verachten ist auch die Rolle der Dienerschaft, die nicht immer so loyal ist, wie ihre Herrschaft denkt. Für ein paar Münzen lockert sich da schon einmal die Zunge und es wird aus dem Nähkästchen geplaudert.

Den Fans der preisgekrönten TV-Serie "Downton Abbey", die sich im Gegensatz zu "Belgravia" mit den Irrungen und Wirrungen des Landadels befasste, ist der Schriftsteller und Drehbuchautor Julian Fellowes, selbst Angehöriger der britischen Aristokratie, nicht unbekannt. Mit "Belgravia" hat er eine Lücke geschlossen, die das Ende von "Downton Abbey" im vergangenen Jahr hinterlassen hatte. Ganz im Stil einer TV-Serie hat Fellowes, der immer auch mit historischen Beratern zusammenarbeitet, um seine Geschichten so authentisch wie möglich zu gestalten, seinen neuen Roman als Fortsetzungsroman in elf Kapiteln veröffentlicht. Damit ist er jedoch kein Pionier in der Geschichte des Publizismus, sondern kehrt vielmehr zu den Wurzeln zurück. Für viele literarischen Größen des 19. Jahrhunderts und auch des beginnenden 20. Jahrhunderts war die Veröffentlichung ihrer Roman als Fortsetzungsroman in wöchentlichem oder monatlichem Rhythmus in einer Zeitschrift gang und gäbe. Erst später wurden die einzelnen Episoden auch als kompletter Roman gedruckt und veröffentlicht.

So geschehen auch mit "Belgravia". Nachdem in den vergangenen Monaten jede Woche ein Kapitel als E-Book bzw. Hörbuch-Download erschienen war, liegt nun das Gesamtwerk vor. Die Hörbuch-Ausgabe, die von der routinierten Hörbuchsprecherin Beate Himmelstoß mit weicher und vielseitiger Stimme gelesen wird, erscheint mit zwei mp3-CDs und einer Gesamtspielzeit von knapp 16 Stunden in einer gekürzten Fassung. Doch auch gekürzt weiß "Belgravia" seinen Charme zu versprühen. Liebe, Verrat, Standesdünkel und vor allem die Gewissheit, dass sich alles am Ende fügen wird - all das kann und darf man erwarten, wenn man die CDs  einlegt und sich auf die Reise ins viktorianische London einlässt.

Sabine Mahnel
19.12.2016

 
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Das Buch:

Julian Fellowes: Belgravia. Aus dem Englischen von Maria Andreas

Sprecherin: Beate Himmelstoß
München: Der Hörverlag 2016
Spielzeit: 948 Min., € 19,99
ISBN: 978-3-8445-2491-8

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