Hörbücher

Mann oder Frau?

Als die siebzehnjährige Leda 1913 ihre italienische Heimat verlässt, um in Buenos Aires ihren Mann Dante zu treffen und dort mit ihm ein neues Leben zu beginnen, denkt sie, sie geht einer gesicherten Zukunft entgegen. Ihr Mann ist nämlich bereits seit einiger Zeit in Buenos Aires, um dort eine Leben für sich und seine frisch Angetraute aufzubauen. Doch als Leda in der neuen Heimat ankommt, muss sie erfahren, dass ihr Mann tot ist. Mittellos und ohne konkrete Pläne für die Zukunft muss sich die junge Immigrantin fortan in den Armenvierteln der argentinischen Hauptstadt durchschlagen. Das einzige, was ihr geblieben ist, ist ein Koffer mit den Kleidern ihres verstorbenen Mannes und die Geige ihres Vaters.

In ihrem Elend und ihrer Verzweiflung gibt Leda eines immer wieder Halt: die Musik - und zwar eine ganz besondere Art von Musik, nämlich den Tango. Die wehmütigen, traurigen Melodien, die sie in Buenos Aires zum ersten Mal gehört hat, haben es ihr angetan. Sie spielt sie auf ihrer Geige nach und träumt von einer Karriere als Musikerin. Doch der Tango ist - wie so vieles - den Männern vorbehalten. Frauen, die den Tango mit ihren Instrumenten vortragen, gibt es nicht. Um sich ihren Traum vom Leben als Musiker erfüllen zu können, entschließt sich Leda zu einem Leben in Verkleidung. Sie lässt sich die Haare kurz schneiden, zieht den Anzug ihres Mannes an und macht sich mit der Geige ihres Vaters auf die Suche nach Engagements.

Nach kleineren Gigs in den ärmeren Vierteln der Stadt wird Leda, die sich nun Dante nennt, bald Mitglied einer Tango-Gruppe, die in den feinen Vierteln der Stadt für die argentinische Oberschicht spielt. Sie hat ein gutes Auskommen und braucht sich um ihre Zukunft nicht zu sorgen, da der Tango angesagt ist wie nie zuvor. Wenn da nicht immer die Sorge darüber wäre, eines Tages aufzufliegen. Sollte jemand bemerken, dass unter der männlichen Maskerade eine Frau steckt, würde das das Ende für Leda bedeuten.

Doch dann trifft die als Mann verkleidete Leda eines Tages die Liebe ihres Lebens, die Sängerin Rosa Vidal. Bisher hat sie bereits in den Bordellen der Stadt als Mann verkleidet Erfahrungen mit Frauen gesammelt, doch kann sie vor Rosa ihre Identität preisgeben und mit ihr als "Mann" und Frau zusammenleben?

Die US-Amerikanerin Carolina De Robertis hat selbst südamerikanische Wurzeln, da ihre Familie aus Uruguay stammt, und baut diese Erfahrungen und die Geschichte Südamerikas auch immer wieder in ihre Romane ein. Sei es in ihrem Roman "Perla" das Schicksal der "Verschwundenen" in Argentinien oder in "Die Tangospielerin" die Geschichte der Einwanderer in Buenos Aires, die hauptsächlich aus Italien stammten und sich in dem Viertel La Boca niederließen. Mit der "Tangospielerin" hat sie außerdem noch die Genderfrage in den Raum geworfen und sich auf das Gebiet der lesbischen Liebe begeben. Dabei lässt sie ihren Roman in einer Zeit spielen, in der einerseits die Rollenverteilung in der Gesellschaft in Stein gemeißelt schien und andererseits gesellschaftliche Konventionen das Ausleben gleichgeschlechtlicher Liebe nicht gestatteten.


Als Hörbuch liegt dieser Roman in gekürzter Form auf zwei mp3-CDs vor und wird gelesen von Elisabeth Günther. Die Schauspielerin und geübte Sprecherin ist dem Filmfan vor allem als deutsche Stimme von Liv Tyler, Cate Blanchett, Julianne Moore oder Toni Colette bekannt. Ihre Erfahrung hinter dem Mikro trägt maßgeblich zum Unterhaltungswert des Hörbuchs bei. "Die Tangospielerin" hält als Geschichte einer Frau - oder eines Mannes? -, die/der ihren/seinen Weg ungeachtet aller Hindernisse geht, für den Hörer viele spannungsgeladene und emotionale Momente bereit.

Sabine Mahnel
10.10.2016

 
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Das Buch:

Carolina De Robertis: Die Tangospielerin. Aus dem Englischen von Adelheid Zöfel

Sprecher: Elisabeth Günther
München: Audio Media Verlag 2016
2 mp3-CDs, 648 Min., € 24,99
ISBN: 978-3-95639-132-3

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