Hörbücher
Spannung pur ohne viel Schmalz
Der New-York-Times-Reporter Andrew Stillmann erholt sich nur langsam von den lebensbedrohlichen Strapazen, die er als Protagonist des vorherigen Romans von Marc Levy, "Mit jedem neuen Tag", durchmachen musste. Andrew verbringt seitdem viel Zeit in der Bibliothek und trifft dort eines Tages auf die geheimnisvolle Suzie Backer, die in eigene Recherchen vertieft ist. Sie ist einem ganz persönlichen Fall auf der Spur. Ihre Großmutter wurde in den 60er Jahren des Verrats bezichtigt und verschwand kurze Zeit später spurlos. Wie ein Damoklesschwert hängt diese Anschuldigung seitdem über der Familie, so dass sie unter falschem Namen ein komplett neues Leben anfangen musste.
Auf der Suche nach Beweisen für die Unschuld ihrer Großmutter möchte Suzie sich der Hilfe des bekannten Investigativ-Journalisten Andrew Stillmann bedienen. Die Neugier Andrews ist schnell geweckt, und er findet sich schneller in den Redaktionsräumen und dem Archiv der Zeitung wieder, als er wenige Tage zuvor noch gedacht hätte. Gemeinsam kommen die beiden dem Geheimnis der Großmutter, das seltsamerweise etwas mit einem Schneemädchen, einem Flugzeugabsturz im ewigen Eis des Mont Blanc und den Ölvorkommen der Erde zu tun haben scheint. Da sich Suzie und Andrew mit ihren Recherchen auf gefährliches Terrain begeben haben, geraten sie schon bald in lebensbedrohliche Situationen.
Marc Levy ist seit fast 20 Jahren ein Garant für massentaugliche Frauenromane, die teilweise auch schon erfolgreich von der Hollywood-Maschinerie auf Celluloid gebannt wurden. Neben Romantik spielte in den meisten Romanen des in den USA lebenden Franzosen auch das Übernatürliche eine bedeutende Rolle. Nicht so in seinem neuesten Roman "Das Geheimnis des Schneemädchens". Hier kommt er sowohl ohne das Übernatürliche als auch erstaunlicherweise ohne viel Romantik aus. Zwischen Andrew und Suzie scheint sich zwar zunächst etwas anzubahnen, doch hängen beide noch zu sehr an den jeweiligen Partnern, die sie gerade erst durch Trennung bzw. Tod verloren haben.
Statt Romantik und Mystik setzt Levy dieses Mal auf Spannung, Gesellschaftskritik und wohldosierte Kriminalelemente. Und diese Mischung ist ihm wirklich hervorragend gelungen. Man spürt immer noch den typischen Levy-Stil, doch es wird für Abwechslung gesorgt. Auch der Vortrag des für die Hörbuchfassung gekürzten Romans erfährt mit dem Schauspieler Herbert Schäfer ausreichend Abwechslung. Er versteht es, die einzelnen Charaktere bis in die Nebenrollen hinein so unverwechselbar zu interpretieren und ihnen seine Stimme zu leihen, dass die Spannung und die mitunter recht schnellen Szenen- und Stimmungswechsel dadurch noch gesteigert werden. Trotz Kürzungen vermisst man als Hörer der Hörbuchfassung keine Informationen und bemerkt auch keine unstimmigen Unterbrechungen im Spannungsbogen.
Bei Autoren, die wie Marc Levy fast jedes Jahr einen neuen Roman liefern, ist es immer wieder erfreulich zu sehen, dass sie sich auch einmal ein wenig abseits der bereits vom eigenen Erfolg sehr ausgefahrenen Wege bewegen können und dabei trotzdem überzeugende Qualität abliefern können. Der neue Levy ist eine willkommene Abwechslung für Fans und solche, die es noch werden wollen.
Sabine Mahnel
23.05.2016