Hörbücher
Picassos große Liebe
Paris, 1911: Eva Gouel, eine junge Frau aus der französischen Provinz, kommt nach Paris, um der Enge ihres Elternhauses zu entkommen. In der brodelnden Metropole der Belle Époque taucht sie in eine völlig neue Welt ein. Sie wird Kostümschneiderin im bekannten Moulin Rouge und sieht dort eines Abends Pablo Picasso in der ersten Reihe sitzen. Schon vom ersten Augenblick an ist sie fasziniert von seiner Erscheinung, seinen dunklen Haaren und dunklen Augen und seinem Charisma. Der exzentrische Künstler befindet sich zu dieser Zeit nach am Anfang seiner Karriere und steht kurz vor dem internationalen Durchbruch.
Einige Tage später trifft sie den Maler in der Pariser Kunstausstellung vor einem Gemälde von Henri Matisse. Die beiden kommen ins Gespräch und Picasso ist fasziniert von der schüchternen jungen Frau in dem schlichten Kleid. Von der ersten Begegnung bis zu dem Zeitpunkt, an dem Eva offiziell Picassos Lebensgefährtin und Muse wird, soll jedoch noch einige Zeit vergehen, in der sowohl Picasso als auch Eva mit den Widrigkeiten, die sich ihnen in den Weg stellen, fertigwerden müssen. Eva muss sich eingestehen, dass sie nicht die einzige Frau in Picassos Leben ist und vielleicht auch nie sein wird, und Picasso kämpft mit den Dämonen, die ihn seit dem frühen Tod seiner Schwester verfolgen. Trotz der Missbilligung, die dem Liebespaar anfangs in Freundes- und Künstlerkreisen entgegengebracht wird, können der spanische Maler und das einfache französische Mädchen vom Lande ihrer Anziehungskraft nicht widerstehen. Doch das große Glück währt nicht lange, denn kurz vor ihrer geplanten Hochzeit erhält Eva eine schockierende Diagnose.
Anne Girard, die auch unter dem Pseudonym Diane Haeger historische Romane schreibt, hat mit "Madame Picasso" ein Historiendrama geschaffen, dass sich weitgehend an die überlieferten Fakten aus Picassos Leben hält. Eva Gouel, die sich in Paris Marcelle Humbert nannte, war von 1911 bis 1915 seine Lebensgefährtin und die Liebe seines Lebens. Da aus Gouels Leben jedoch nur wenige Fakten und einige Briefe überliefert sind, hat Girard gewisse Lücken mit Fiktion aufgefüllt, um stimmige Charaktere für ihren Roman zu schaffen. Dies ist ihr aber bestens gelungen, denn beim Lesen bzw. Hören fällt es leicht, mit Eva in die bunte Welt der Pariser Avantgarde und ihre herausstechenden Persönlichkeiten Pablo Picasso, Georges Braque, Guillaume Apollinaire, Sarah Bernhardt und Gertrude Stein abzutauchen. Girard lässt auch belegte Ereignisse aus dieser Zeit nicht aus, wie z. B. Picassos und Apollinaires angebliche Verwicklung in den Raub der Mona Lisa. Auch die weltpolitischen Ereignisse wie der Beginn des Ersten Weltkriegs gehen nicht spurlos an der Pariser Bohème vorbei und finden Erwähnung in der Girards Historiendrama.
Auf achteinhalb Stunden Lesung wurden die 478 Seiten der Buchausgabe von "Madame Picasso" für diese Hörbuchfassung gekürzt, was jedoch an keiner Stelle spürbar ist, will heißen, dem Hörer fehlen keine Informationen aus gekürzten Handlungssträngen. Mit Ulrike Hübschmann saß eine erfahrene und gefragte Hörbuchsprecherin für diese Lesung hinter dem Mikrofon. Sie überzeugt mit einer jungen Stimme, die das anfangs recht naive Mädchen aus der Provinz perfekt verkörpert und im Laufe des Romans zu einer verantwortungsbewussten Frau heranreift.
"Madame Picasso" ist für all diejenigen das richtige Hör- bzw. Lesefutter, denen reine Biographien zu langweilig und trocken sind, die jedoch gerne Geschichten hören, die auf Fakten basieren und hinter denen reale Personen stehen, die noch dazu berühmt sind und zu Lebzeiten unter ständiger Beobachtung standen. "Madame Picasso" ist Liebesgeschichte und biographischer Roman in einem.
Sabine Mahnel
30.03.2015