Hörbücher
"Durch Täuschung sollst Du Krieg führen!"
"Durch Täuschung sollst Du Krieg führen!": So lautet das Motto des weltweit wohl effizientesten und erfolgreichsten, somit auch berüchtigtsten Geheimdienstes der Welt, des Mossad. Gegründet 1951 können höchstens KGB und CIA mit einer ähnlichen Historie an Einsatzbeteiligungen und kursierenden Vermutungen über Verschwörungstheorien mithalten. Die Gründe liegen auf der Hand: Israel als ein kleines Land mit vielen Feinden kann seine Staatssicherheit unmöglich nur in die Hände eines Militärapparates legen, sondern benötigt vielmehr ein erstklassiges geheim- und nachrichtendienstliches Netz. Dieses ist über den ganzen Erdball gespannt und bedient sich vor allem freiwilliger Helfer, sprich israelischer Staatsbürger im Ausland und jüdischer Glaubensangehöriger anderer Staatsangehörigkeiten.
Dass der Mossad eine wahre Meisterschaft im Täuschen erlangt hat, wird einem beim Hören des vorliegenden Hörbuchs deutlich vor Augen geführt. Gabriel Allon, ein im englischen Exil lebender ehemaliger Agent des Mossad, verbringt seine Zeit mit dem Restaurieren wertvoller Gemälde eines Kunsthändlers. Dies ist seine ganz eigene, langfristige Therapie, um mit dem Schicksalsschlag fertig zu werden, der ihn vor geraumer Zeit in Wien ereilt hat: Bei einem terroristischen Attentat starb sein Sohn vor seinen Augen, während seine Frau zwar überlebte, seitdem aber in ihrem eigenen Käfig vor sich hin vegetiert und nicht mehr am eigentlichen Leben teilnimmt. Ausführender dieses ganz persönlichen Anschlags war Allons Intimfeind Tariq al-Harouni, für den die Geschehnisse in Wien wiederum seine ganz eigene Rache für Allons Beteiligungen an der Exekution von Tariqs Bruder einige Jahre zuvor in Köln und an dem Attentat an Abu Jihad in Tunis waren.
Daniel Silvas "Der Auftraggeber" handelt von der finalen Kulmination dieser über Jahre hinweg eskalierenden Feindschaft. In Paris wird der israelische Botschafter samt Gattin exekutiert. Die Umstände des Verbrechens tragen für Ari Schamron, den ehemaligen Geheimdienstdirektor des Mossad, ganz eindeutig die Handschrift Tariqs. Wohl wissend über den schwelenden Konflikt in Gabriels Herzen versucht Ari, ihn dazu zu bewegen, sich an die Fersen von Tariq zu heften. Anfangs noch zögernd ist Gabriel spätestens nach einem zweiten Attentat in Amsterdam davon überzeugt, dass sich Tariq auf einer Mission befindet, deren Ausgang noch nicht zu erahnen ist, aber definitiv nach einem großen Abschluss strebt. Gabriel weiß um die Gefährdung der nationalen Sicherheit Israels und des Friedensprozesse im Nahen Osten durch Tariq, so dass er gewillt ist, nicht nur sich selbst auf die Suche nach Tariq zu begeben, sondern auch seine einstige Affäre, die schöne Jaqueline, mit in das Zentrum der Gefahr zu schleusen. Eine atemberaubende Jagd über viele Handlungsschauplätze und den halben Erdball steht den beiden bevor.
Mit dem vorliegenden Roman, seinem vierten, hatte Daniel Silva seine Gabriel-Allon-Reihe gestartet. Auch wenn die einzelnen Fälle rund um den israelischen Mossad-Agenten eigenständige Werke darstellen, ist dieser Band von besonderem Interesse, da mit dem Anschlag von Wien Gabriel Allons Grundmotivation thematisiert wird. Freunde der Spionage-Bücher Ken Follets werden ihre Freude an diesem Werk haben, da Silva es wie nur wenige Thriller-Autoren versteht, neben den Grundzutaten wie Spannung, Rasanz und Dramatik auch gut recherchierte historische Hintergründe einfließen zu lassen. Einziger eventueller Kritikpunkt ist dabei das allzu spielerische und arglose Vermischen historischer Personen und Ereignisse wie z. B. Arafat und das Attentat auf Abu Jihad in Tunis mit fiktiven Inhalten, da es ein wenig merkwürdig daherkommt, wenn Arafat sich mit einem fiktiven US-amerikanischen Präsidenten unterhält.
Die Hörbuch-Ausgabe profitiert immens von der Erzählgewalt Axel Wostrys, einer allseits bekannten Stimme, an der man hängen bleibt. Sehr einfühlend beschreibend und im richtigen Moment beschleunigend weiß er die Geschichte hervorragend unauffällig zum Hörer zu transportieren. Wer an "Der Auftraggeber" Gefallen gefunden hat, ist in der glücklichen Lage, noch einige weitere Gabriel-Allon-Fälle vor sich zu wissen. Ein Ende der Reihe ist dank Silvas Schreibfleiß glücklicherweise noch nicht abzusehen!
Christoph Mahnel
12.10.2009