Hörbücher

Ein Zeitdokument über den Nationalsozialismus

Das jüdische Mädchen Anne Frank bekam zu seinem 13. Geburtstag am 12. Juni 1942 ein Tagebuch geschenkt, das viele Jahrzehnte später zu einem beeindruckenden und zugleich erschreckenden Zeugnis einer grausamen Zeit werden sollte. Das Tagebuch erzählt von zwei Jahren, in denen Anne sich mit ihrer Familie und vier anderen Menschen ab Sommer 1942 in einem Amsterdamer Hinterhaus verstecken musste, um dem Transport in ein Konzentrationslager durch die Nationalsozialisten zu entkommen. Diese Zeit, die von Entbehrungen und Ängsten gekennzeichnet war, ist in den Tagebucheinträgen Anne Franks festgehalten, das jetzt als Hörbuch (auf neun CDs) im Argon Verlag erschienen ist.

Anne beginnt mit der Geschichte ihrer Familie. Sie zeigt ihr Verhältnis zu ihren Eltern auf, wobei bereits an dieser Stelle erkennbar ist, dass es nicht zum Besten zwischen Anne und ihrer Mutter bestellt war. Auch wird deutlich, dass Anne und ihre drei Jahre ältere Schwester Margot zwar in guter Beziehung zueinander standen, aber doch grundverschieden waren. Nach dieser Einführung beginnt Anne ihr Tagebuch offiziell am 20. Juni 1942, indem sie dieses fortan mit "Kitty" anredet und ab diesem Tag ihr Seelenleben preisgibt. Wie sich in den ersten Einträgen zeigt, konnte Anne zu Beginn ihres Exils in den Niederlanden ein halbwegs normales Leben führen: Sie ging in die Schule, traf sich mit ihren Freundinnen, spielte auf der Straße und aß gerne Eis. Aber bereits zu diesem Zeitpunkt waren auch Entbehrungen, die von der nationalsozialistischen Besatzungsmacht auferlegt wurden, an der Tagesordnung. Das Leben ändert sich für Familie Frank grundlegend, als Margot Frank am 5. Juli 1942 einen Aufruf zur Deportation in ein Arbeitslager erhielt. Sofort beschloss Annes Vater Otto Frank früher unterzutauchen als ursprünglich geplant. Am 6. Juli 1942 begann für die Familie ein Leben im Verborgenen, mit Angst vor der Aufdeckung.

Die Franks waren nicht lange allein in ihrem Versteck, als eine Woche später die Familie van Pelz nachkam. In Annes Tagebuch tauchen sie als Hermann, Petronella und Peter van Daan auf, die sich mit den Franks arrangieren mussten. Als dann im November 1942 noch Albert Dussel hinzukam, waren Streitigkeiten unvermeidbar. Anne zeichnet in ihren Einträgen ein erschreckendes Leben nach, das geprägt ist von Angst, Streitereien, Freundschaft, Liebe und aufkeimender Sexualität. Dabei hält sie mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg, wenn sie zum Beispiel detailliert das Bild Petronella van Daans nachzeichnet. Für den Rezipienten offenbaren sich sowohl Momente der Angst, wenn Diebe in das Haus einbrechen, als auch Momente des Hochgefühls, wenn Anne und Peter sich näherkommen und sich schließlich das erste Mal küssen. Der letzte Eintrag erfolgt am 1. August 1944, drei Tage vor der Aufdeckung durch die "Grüne Polizei".

Die Hörbuchversion von Anne Franks Tagebuch hat die deutsche Schauspielerin Fritzi Haberlandt eingesprochen, wobei sie die Position Anne Franks einnimmt. Dadurch werden Bilder im Kopf des Rezipienten lebendig, denen man sich nur sehr schwer entziehen kann. Man fühlt Annes Angst vor der Aufdeckung des Verstecks, aber auch ihre Gefühle für Peter, die über eine Freundschaft hinausgehen. Erstaunlich ist die Auffassungsgabe der damals 13-Jährigen, ihre Beobachtungen muten philosophisch an und lassen doch die Situation treffend erkennen. Nicht nur durch die gekonnte Umsetzung des Tagebuchs in die Hörbuchform durch die Schauspielerin Haberlandt, sondern auch Anne Franks schriftstellerisches Talent verführen den Rezipienten dazu zu verdrängen, dass alles dies autobiographisch ist und tatsächlich passiert ist. So muss man sich als Hörer immer wieder bewusst machen, dass es tatsächlich 65 Jahre her ist, dass Anne Frank mit ihrer Familie im Amsterdamer Versteck ausharrte. Durch die gelungene auditive Umsetzung des Tagebuchs, wird Anne Frank greifbar.

Um die Ernsthaftigkeit und Realität des Lebens der Anne Frank im Verborgenen zu untermauern, liest Buddy Elias, Anne Franks Cousin, einen Brief von Otto Frank vor, in dem er sich über seine Tochter, ihr gemeinsames Leben und zu einigen Details aus dem Tagebuch äußert. An dieser Stelle wird einem bewusst, dass Otto Frank durch die Grausamkeit der Nationalsozialisten seine gesamte Familie verloren hat. Schwer vorstellbar ist es für den Rezipienten, dass Otto Frank sich dem Tagebuch gestellt hat, denn seine Ehefrau ist in Annes Augen nicht immer gut weggekommen. So ist das Berührende innerhalb des Briefes durchaus verständlich. Am Ende des Hörbuches sitzt man einsam an seinem Platz, denkt über sein bisheriges Leben nach und kann nur hoffen, dass man nicht solchen Zeiten entgegen gehen muss.

Susann Fleischer
15.06.2009 

 
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Das Buch:

Anne Frank: Tagebuch. Aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler

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Sprecherin: Fritzi Haberlandt
Berlin: Argon Verlag 2009
Spielzeit: 635 Min., € 29,95
ab 12 Jahren
ISBN: 978-3-86610-765-6

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