Hörbücher

Die Geschichte eines Feiglings

Ein disharmonischer Marsch begleitet den Soldaten Ferdinand Bardamu, während er im Schützengraben kauert. Die nächste Kugel könnte schon ihm gelten. Schritte im Gras: "Warum schießen die Deutschen auf mich", fragt sich Bardamu, "ich habe ihnen doch nie etwas getan!" Die verzweifelte Stimme des jungen Soldaten verändert sich plötzlich: "Alle werden wir dabei drauf gehen", droht er flüsternd. Akkordeon-Klänge vertiefen die depressive Stimmung weiter.

Das Hörspiel "Reise ans Ende der Nacht", das auf dem Buch von Louis-Ferdinand Céline (1894 - 1961) basiert, wurde mit dem Deutschen Hörbuchpreis 2009 in der Kategorie "Das besondere Hörbuch / Klanggestaltung" ausgezeichnet.

"Reise ans Ende der Nacht" erzählt in eindrucksvollen Klängen den Roman von Céline nach. Die Geschichte des Antihelden Ferdinand Bardamu beginnt, als der gerade mal zwanzigjährige Medizinstudent sich – aus einer Laune heraus – der Armee anschließt. Es ist die Zeit des Ersten Weltkrieges (1914 - 1918) und schneller als Bardamu es für möglich gehalten hätte, steht er mitten im Gefecht. Schon nach kurzer Zeit offenbaren sich ihm die Grausamkeiten des Krieges und Bardamus Glaube an die Notwendigkeit eines Krieges geht verloren. Da kommt dem naturgemäßen Feigling Bardamu eine Verletzung gerade recht: Er kann nach Frankreich zurückkehren.

Die Irrungen und Wirrungen im Leben des Ferdinand Bardamu haben jedoch gerade erst begonnen: Nach einem Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt - da ihn die Kriegstraumata phantasieren ließen - begibt er sich auf ein Frachtschiff und lässt sich nach Afrika bringen. Im Kongo erhält er einen Posten als Leiter der Faktorei in dem Dschungeldorf Bikomimbo. Bardamu erkrankt jedoch an Malaria und, als wäre dies noch nicht genug, zerstört ein Feuer das Camp. Erneut entflieht Bardamu der Verantwortung und lässt sich in die nächste Stadt bringen.

Statt zu seiner Stelle als Leiter der Faktorei zurückzukehren, heuert er auf einer Galeere an und türmt auch hier bei der nächsten Gelegenheit. Nun verschlägt es Bardamu nach New York, wo er eine Fließbandtätigkeit in einem Ford-Werk annimmt. Nach einem Amüsement mit einer amerikanischen Prostituierten plagt ihn das Heimweh und Bardamu reist zurück nach Frankreich.

Er schließt nun sein Medizinstudium ab und praktiziert in einer kleinen Vorstadt. Dort wird er mit den Grausamkeiten der einfachen Leute konfrontiert. So hört er, wie in der Nachbarwohnung Eltern ihre zehnjährige Tochter an ein Bett fesseln und schlagen. Doch als Bardamu die Familie auf der Straße antrifft, ist keinem etwas von dem Missbrauch anzumerken. Auch seine neuen Freunde zeigen deutlich die Abgründe des Bösen im Menschen. So schließt sich der Kreis und der Hörer erinnert sich an das eingangs dunkel gehauchte Versprechen, dies sei "die Reise vom Leben in den Tod".

Das Hörbuch nimmt die dunkle Färbung des Romans um Ferdinand Bardamu gelungen auf und gibt dem 1932 erschienenen Buch eine neue Wirkungsebene. Der Autor Céline erzählt zum Teil in einer Umgangssprache, die die Verzweiflung und auch den Wahnsinn des Menschseins zum Ausdruck bringt. Dabei ist der Schriftsteller, der diesen kritischen Text geschrieben hat, selbst kein Umstrittener: Céline sympathisierte mit der Ideologie Adolf Hitlers. So sind beispielsweise antisemitische Einflüsse in fast allen seinen Werken, vor allem in denen nach 1937, enthalten.

Das Hörbuch "Reise ans Ende der Nacht" ist ein außergewöhnliches Hörvergnügen. Jedoch sollte man zuvor das Buch gelesen haben, da die lückenhafte Geschichte um Ferdinand Bardamu sonst verwirrend wirken kann.

Maria Merten
14.04.2009

 
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Das Buch:

Louis-Ferdinand Céline: Reise ans Ende der Nacht

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Sprecher: Felix von Manteuffel, Florian von Manteuffel, Peter Fricke u. a.
München: Der Hörverlag 2008
268 Min., € 29,95
ISBN: 978-3-86717-058-1

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