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Lacy Stoltz arbeitet an der Rechtsaufsichtsbehörde des Bundesstaates Florida, einer Institution, die dafür Sorge trägt, dass auch ranghohe Vertreter der Justiz einer Überwachung unterliegen. Schließlich finden sich selbst unter Richtern und anderen Juristen nicht immer nur untadelige Idealisten. Lacy hatte vor einiger Zeit Berühmtheit erlangt, als sie bei einer spektakulären Aufklärung einer raffgierigen Richterin Unterschlagungen in Millionenhöhe nachweisen konnte. Nun ist eine merkwürdige Frau an Lacy herangetragen. Sie nennt sich Jeri Crosby und trägt ihr eine haarsträubende Geschichte vor. Demnach habe sie den Täter ihres vor zwanzig Jahren ermordeten Vaters identifiziert. Doch nicht nur das! Jeri behauptet, dass dieser Mann sogar noch weitere Menschen auf dem Gewissen habe. Was die weitere Verfolgung dieses Falles für Lacy gleichsam attraktiv wie auch brandgefährlich sein lässt, ist der Umstand, dass es sich bei dem Verdächtigen um einen amtierenden Richter an einem Gericht in Florida handelt.

Justiz und Florida sind zwei Schlagworte, die bereits für eine Identifizierung der Story ausreichend sein sollten. Natürlich handelt es sich bei dieser abstrus klingenden Geschichte um den neuesten Roman von John Grisham, den Großmeister des Justiz-Thrillers. Seit Jahrzehnten ist Grisham kaum wegzudenken aus den jährlichen Neuerscheinungen, die die Eingangspforten der Bücherläden pflastern. Alles begann im Jahre 1989, als sich der vormalige Kalte Krieg in den letzten Zügen befand, Deutschland noch geteilt war, sich aber im Osten Menschen auf die Straßen begaben, um ihrem Unrechtsstaat ein Ende zu bereiten. In dieser Zeit veröffentlichte ein damals 34-jähriger Strafverteidiger, der von einem realen Fall inspiriert worden war, ein Buch namens "Die Jury", dem im ersten Anlauf jedoch noch der ganz große Ruhm beschieden war. Dies änderte sich erst mit "Die Firma", dem zweiten Buch aus der Feder dieses John Grisham, der mit dem Jahrhunderterfolg dieses Werks seinen bisherigen Beruf an den Nagel hängen konnte, um sich ausschließlich der Schriftstellerei zu widmen.

"Die Firma" rockte nämlich nicht nur als Buch, sondern auch als hochspannende Verfilmung mit Tom Cruise den Globus. Seit dieser Zeit ist praktisch kein Jahr vergangen, in dem der Vielschreiber Grisham nicht ein neues Buch auf den Markt gebracht. Nicht jedes davon war ein Weltseller, doch zementierten sie den Ruf Grishams als einen der erfolgreichsten und gefragtesten Schriftsteller der Gegenwart. Obgleich man das Gefühl hat, dass es Grisham schon immer und ewig gebe, hat er dank seines frühen Beginns als Autor dieser Tage gerade einmal das für hiesige Verhältnisse geltende Renteneintrittsalter überschritten, so dass sicherlich noch viel Lesestoff von ihm produziert werden dürfte. Et voilà: "Der Verdächtige" mit Lacy Stoltz in der Hauptrolle kommt mit über 400 Seiten in der Buchausgabe bzw. gut zwölf Stunden in der vorliegenden, leicht gekürzten Hörbuchfassung auf zwei mp3-CDs daher. Wer das uneingeschränkte auditive Erlebnis genießen möchte, kann gerne auf den Download des ungekürzten Hörbuchs zurückgreifen, das noch gut zwei Stunden länger läuft.

Grisham-Fans werden bei der Nennung von Lacy Stoltz sicherlich aufhorchen, da sie bereits aus "Bestechung", einem Roman Grishams aus dem Jahre 2017, gut bekannt ist. Um den neuen Fall so richtig ins Rollen zu bringen, nimmt sich Grisham dieses Mal ein wenig Zeit. Erst zur Hälfte lässt er Ross Bannick, besagten Richter, erstmals die Bühne betreten, dann aber startet ein Katz-und-Maus-Spiel, das alle Finessen kennt. Mit Lacy und dem Richter stehen sich zwei gewiefte Antagonisten gegenüber, die für Hochspannung sorgen. Diese wird bei der Hörbuch-Lesung grandios transportiert durch Grishams deutsche Stimme Charles Brauer. Was David Nathan für Stephen King ist, ist Charles Brauer für John Grisham. Sein sonorer, immer bedachter Vortrag fesselt den Hörer ebenfalls seit Jahrzehnten, da Brauer schon seit beinahe einem Vierteljahrhundert Grishams Werke für seine deutschen Anhänger vertont.

Mit seinem neuesten Roman rüttelt John Grisham ganz gewaltig an der Integrität der US-amerikanischen Justiz. Immer dann, wenn Grisham neue Facetten thematisierte, neuartige Blickwinkel einnahm, dann war ihm größter Erfolg beschieden. In "Der Verdächtige" ließ sich Grisham leiten von der interessanten Fragestellung, was wäre, wenn ein hochdekorierter und angesehener Richter gleichzeitig ein Serienmörder wäre? Eine praktische Ausstaffierung dieses Gedankenexperiments ist ihm hiermit allemal gelungen. Der Hörer befindet sich - wie auch der Leser - dabei in der perfekten Position, als Allwissender, der die Winkelzüge der Beteiligten überblickt und mitfiebern darf, ob am Ende die Gerechtigkeit die Oberhand behält.

Christoph Mahnel 
07.06.2022

John Grisham: Der Verdächtige. Aus dem Amerikanischen von Kristiana Dorn-Ruhl, Bea Reiter, Imke Walsh-Araya

Sprecher: Charles Brauer München: Random House Audio 2022 Spielzeit: 724 Min., € 24,00 ISBN 978-3-8371-5901-1

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