Hörbücher
DAS Sach(hör)buchhighlight dieses Jahres
In seinem Kultbuch "Eine kurze Geschichte der Menschheit" erklärte Yuval Noah Harari, wie unsere Spezies die Erde erobern konnte. In "Homo Deus" stößt er vor in eine noch verborgene Welt: die Zukunft. Was wird mit uns und unserem Planeten passieren, wenn die neuen Technologien dem Menschen gottgleiche Fähigkeiten verleihen - schöpferische wie zerstörerische - und das Leben selbst auf eine völlig neue Stufe der Evolution heben? Wie wird es dem Homo sapiens ergehen, wenn er einen technikverstärkten Homo Deus erschafft, der sich vom heutigen Menschen deutlicher unterscheidet als dieser vom Neandertaler? Was bleibt von uns und der modernen Religion des Humanismus, wenn wir Maschinen konstruieren, die alles besser können als wir?
Über das letzte Jahrhundert hinweg hat sich die Menschheit erfolgreich Hunger, Seuchen und Kriegen gestellt. Aus Erfolg wird Ehrgeiz: Als nächstes stehen Unsterblichkeit, grenzenloses Glück und gottgleiche Schöpfungskräfte auf der To-do-Liste. Die Verfolgung dieser Ziele wird die meisten Menschen allerdings überflüssig machen. Also bleiben Fragen: Wohin führt unser Weg? Wie können wir unsere Zukunft bestmöglich beeinflussen? Schließlich kann man den Lauf der Dinge nicht aufhalten, aber die Richtung bestimmen. In unserer Gier nach Gesundheit, Glück und Macht könnten wir uns ganz allmählich so weit verändern, bis wir schließlich keine Menschen mehr sind.
Der Mensch betreibt seine Selbstabschaffung durch Lebensverlängerung bis zur Unsterblichkeit, durch Durchsetzung des Rechts auf Glück mithilfe Psychopharmaka und durch Upgrade des Menschen mittels Biotechnologie, Cyborg-Technologie und der Erzeugung nicht-organischer Lebewesen. Bis es soweit ist, kann noch viel passieren. Zum Teil allerdings schreiben wir schon heute die Zukunft.
Ein Beispiel: 2010 fielen rund eine Millionen Menschen der Unterernährung zum Opfer, während drei Millionen Menschen an Fettleibigkeit starben. Während bis ins 20. Jahrhundert Seuchen Menschen in zehnmillionenfachen Maßstäben töteten, fielen dem schwersten Gesundheitsnotfall der Neuzeit, Ebola, "lediglich" 11.000 Menschen zum Opfer. Während in antiken Agrargesellschaften menschliche Gewalt für 15 Prozent der Todesfälle verantwortlich war, liegt der Wert heute bei unter einem Prozent. 2012 starben 56 Millionen Menschen weltweit, 120.000 fielen dem Krieg zum Opfer und 500.000 der Kriminalität.
In drei "Teilen" und insgesamt elf Kapiteln widmet sich Yuval Noah Harari voll und ganz dem Homo sapiens auf seinem Weg zum "Homo Deus", gottgleichen Menschen. Seien Sie gespannt auf: "Die neue menschliche Agenda", "Homo sapiens erobert die Welt" ("Das Anthropozän", "Der menschliche Funke"), "Homo sapiens gibt der Welt einen Sinn" ("Die Geschichtenerzähler", "Das seltsame Paar", "Der moderne Pakt", "Die humanistische Revolution") und "Homo sapiens verliert die Kontrolle" (Die Zeitbombe im Labor", "Die große Entkopplung", "Der Ozean des Bewusstseins", "Die Datenreligion"). Hier erfährt man Fakten, die man so nirgends nachlesen kann - außer vielleicht in wissenschaftlichen Artikeln, die allerdings für Laien nicht leicht zu verstehen sind.
Feinstes Futter für die grauen Gehirnzellen - etwas Lehrreicheres und zugleich Unterhaltsameres als mit den Werken von Yuval Noah Harari findet man nur selten in seinem CD-Player. Kaum einem anderen Autor gelänge ein ähnlicher Geniestreich wie dem israelischen Historiker mit "Homo Deus". Solch brillante Sachliteratur darf sich einfach niemand entgehen lassen. Sprecher Jürgen Holdorf setzt jeglicher Hörlangeweile ein schnelles Ende. Ihm würde man gerne ewig lauschen. Seine Lesungen fesseln einen sogar über mehrere Tage hintereinander an den Lautsprecher. Nach der letzten Spielminute fühlt man sich ganz berauscht, wie unter Drogen gesetzt. Wichtige Fragen, die jeden betreffen und interessieren sollten, werden ausführlich beantwortet. Aber nicht nur deshalb: unbedingt mehr!
Yuval Noah Hararis (Hör-)Bücher stecken voller Wissen mit absolutem "Wow!"-Effekt. Nach dem Lauschen von "Homo Deus - Eine kurze Geschichte von Morgen" fühlt man sich nicht nur klüger, es ist einem außerdem ganz schwindelig. Denn trotz des (hohen) wissenschaftlichen Anspruches kriegt man hier mehr als 15 Stunden lang amüsanteste Unterhaltung auf die Ohren. Der Professor für Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem und Jürgen Holdorf sorgen für allerlei "Aha!"- und "Oho!"-Momente. Sie bringen uns zum Staunen. Absolut grandios!
Susann Fleischer
21.08.2017