Hörbücher
Gute Hexe , böse Hexe
Zusammen mit ihrem sprechenden Raben Abraxas lebt die kleine Hexe in einem kleinen windschiefen Haus im Wald. Die erst 127 Jahre alte Hexe - für Hexenbegriffe praktisch noch ein Baby - wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich auch an der Walpurgisnacht teilnehmen zu dürfen. Doch so jungen Hexen wir ihr ist das Tanzen auf dem Blocksberg noch nicht gestattet. Dies hält die kleine Hexe jedoch nicht davon ab, sich in der Walpurgisnacht unerlaubterweise unter die älteren Hexen zu mischen und ihren Spaß zu haben.
Der Spaß nimmt allerdings ein jähes Ende, als die kleine Hexe von der Wetterhexe Rumpumpel entdeckt und vor die Oberhexe geführt wird. Zur Strafe wird ihr der Besen genommen und sie muss zu Fuß nach Hause gehen. Ein Lichtblick ist jedoch, dass man ihr im kommenden Jahr die Teilnahme an der Walpurgisnacht erlauben wird, falls sie es schafft, innerhalb dieses einen Jahres eine gute Hexe zu werden.
Kein Problem für die kleine Hexe. Fortan hilft sie den Armen und Schwachen, sie setzt sich für gequälte Tiere ein und macht Kinder glücklich. Beobachtet wird sie heimlich von der Wetterhexe Rumpumpel, die immer als dunkle Wolke über ihr schwebt und die guten Taten notiert, um vor dem Hexenrat Bericht erstatten zu können. Wird die kleine Hexe die Bewährungsprobe bestehen und in den Kreis der richtigen Hexen aufgenommen werden? Und was macht eigentlich eine "richtige" Hexe aus?
Otfried Preußler (1923-2013) schrieb "Die kleine Hexe" vor genau 60 Jahren, sein zweites Kinderbuch nach "Der kleine Wassermann", für das er 1957 den Deutschen Jugendliteraturpreis erhielt. Während die originalen Zeichnungen von Winnie Gebhardt-Gayler dem Modernisierungswahn bisher trotzen konnten, wurde der Text selbst vor einigen Jahren in der ursprünglichen Wortwahl moderat verändert. Begriffe wie "Neger" und "wichsen" mussten politischer Korrektheit und heute gebräuchlichen Begriffen weichen. Strittig sind solche Eingriffe in Originaltexte sicherlich immer, aber einer Tatsache haben diese Änderungen nichts anhaben können, nämlich dem Status der "kleinen Hexe" als Kinderbuchklassiker. Die sympathische kleine Hexe, die zwar auch nicht perfekt ist und auch schon mal verbotenerweise freitags hext, tritt unermüdlich für Freundschaft, Moral und einen wertschätzenden Umgang miteinander ein und muss am Ende erfahren, dass von einer guten Hexe erwartet wird, dass sie böse ist - ein herber Rückschlag, der sie zu einer drastischen Maßnahme greifen lässt, so dass doch noch das Gute über das Böse siegt.
Anlässlich des 60. Geburtstags der kleinen Hexe und der Neuverfilmung des Preußler-Klassikers (geplanter Kinostart Januar 2018) hat der Audio Verlag eine ungekürzte Neuinterpretation durch Karoline Herfurth herausgegeben. Herfurth spielt in der Verfilmung ebenfalls die Hauptrolle und ist mit ihrer jugendlichen Stimme die perfekte Hörbuch-Verkörperung der ebenfalls sehr "jungen" Hexe. Etwas kratziger, wie es sich für einen Raben gehört, lässt sie Abraxas sprechen. Alles in allem eine spritzige und frische Lesung in Neuauflage, die mit all ihrem Esprit überhaupt nicht im Gegensatz zum Alter der Buchvorlage steht, was wiederum ein Zeichen dafür ist, wie aktuell und zeitlos "Die kleine Hexe" ist.
Sabine Mahnel
02.05.2017