Bildbände

Die posthume Kolorierung der DDR

Die Deutsche Demokratische Republik ist für diejenigen Deutschen, die westlich des Eisernen Vorhangs lebten, vor allem ein Leben in Schwarz-Weiß. Da dort die beiden früheren DDR-Fernsehsender bis zur Wiedervereinigung im Jahre 1990 aufgrund der Unverträglichkeit des westdeutschen PAL-Systems mit dem im Osten verwendeten SECAM-Standard nur in eben diesen beiden Farben empfangen werden konnten, hat sich bei vielen Menschen im Westen der Republik dieses wenig farbenfrohe Bild von dem anderen Teil Deutschlands im Kopf verfestigt.

Doch nun schafft fast ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer ein Bildband Abhilfe und will dazu beitragen, dieses Schwarz-Weiß-Denken in Luft aufzulösen. "Farbe für die Republik" heißt das vom Deutschen Historischen Museum herausgegebene Werk, in das mehr als 300 Bilder von Martin Schmidt und Kurt Schwarzer Einlass gefunden haben. Die beiden ostdeutschen Bildjournalisten genossen in der DDR einst einen Ausnahmestatus, der es ihnen ermöglichte, mit ihren Bildreportagen den ostdeutschen Alltag in Szene zu setzen.

Das Vorwort zum vorliegenden Werk lieferte Roland Jahn, der Leiter der Stasiunterlagenbehörde, der gemeinhin auch als Gauck- oder Birthler-Behörde bekannten Einrichtung, die sich die umfängliche Aufarbeitung sämtlicher Stasi-Unterlagen zum Ziel gesetzt hat. Jahn beschreibt in seinem Vorwort für den Leser sehr gut nachvollziehbar, welche Geschichten sich wohl hinter den einzelnen Bildern dieses Buchs verbergen, wie beispielsweise die Ankündigung von Bildaufnahmen in den Betrieben einen Aufruhr verursachte und welchen Aktionismus dies auslöste, um am Tag der Aufnahmen schließlich das perfekte Motiv abzugeben.

"Farbe für die Republik" ist ein Werk, das seine Bilder sprechen lässt. Dabei wurde eine thematische Einteilung in sieben verschiedene Kapitel vorgenommen. Eines dieser Kapitel beschäftigt sich beispielsweise mit dem Bild der Frau in der DDR, weitere mit dem beruflichen Alltag in VEBs, LPGs und sonstigen Kombinaten. Die beiden Fotografen illustrieren in zahlreichen Aufnahmen das glückliche Zusammenspiel von Jung und Alt, was durchaus glaubhaft transportiert wird. Doch die Zusammenstellung von beworbenen Konsumartikeln wird in den Augen und Ohren vieler ehemaliger DDR-Bewohner fast wie Hohn klingen.

Jedes der einzelnen Kapitel ist mit einem kurzen einleitenden Text versehen, bevor Schmidt und Schwarzer ihre Fotos präsentieren dürfen. Die Vitae der beiden Männer hinter der Linse werden am Ende des Buches dem interessierten Leser nähergebracht.

Wer die DDR pauschal als Unrechtsstaat abstempelt und dazu tendiert, aufgrund der in den Medien omnipräsenten Ostalgie von vorneherein eine abneigende Haltung gegenüber diesem Buch einzunehmen, dem seien Jahns eindringliche Worte in diesem Vorwort empfohlen, in denen er davor warnt, die Kritik an der DDR mit Kritik an den Menschen in der DDR gleichzusetzen. Die Bilder dokumentieren eben diese Menschen, die einst versuchten, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Stattdessen verweist er auf die Beobachtung kleiner Details in den Bildern, die womöglich die Abneigung einzelner gegenüber dem System und seinen gehorsamen Dienern erkennen lassen.

"Farbe für die Republik" ist ohne Zweifel ein Bildband, der ein bedeutsames Stück deutscher Geschichte porträtiert. Dabei wird die Wirkung der Aufnahmen auf den Empfänger natürlich maßgeblich von dessen persönlicher Herkunft abhängig sein. Während der Wessi versuchen wird, mit dem Bildband seine Schwarz-Weiß-Erinnerungen aus dem Fernsehen allmählich in die hintersten Ecken seines Gehirns zu verdrängen, wird jeder Ossi seine ganz eigenen Geschichten mit vielen der Aufnahmen verbinden. Die Erinnerungen, die "Farbe für die Republik" dabei auslösen wird, sind so verschieden wie die Menschen es einst in der Deutschen Demokratischen Republik trotz staatlich angestrebter Konformität waren.

Christoph Mahnel
18.11.2013

 
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Das Buch:

Stiftung Deutsches Historisches Museum (Hg.): Farbe für die Republik. Fotoreportagen aus dem Alltagsleben der DDR

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Köln: Quadriga Verlag 2013
304 S., € 29,99
ISBN: 978-3-86995-059-4

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