Bildbände

Den Sehenden zum Sehen

Jeder Bildband ist für einen Verlag ein Wagnis. Es ist immer eine Herausforderung, in der farbigen Reproduktion eines Bildes, die Farben des Originals wiederzugeben. Die Herausforderung wird um einiges größer, wenn sich ein Band des Themas "Licht und Schatten" in der Kunst widmet. Über "Hell und Dunkel in der Kunst" will Hajo Düchtings Bild-Text-Band, der bei Belser erschien, nicht nur informieren. Das heißt, größte Sorgfalt auf die Reproduktionen zu konzentrieren. Die Technik macht heute vieles möglich.

Wer vier Bände mit Wiedergaben von Caspar David Friedrichs "Die Lebensstufen" im Hause hat, wer die mit der kleinformatigen Reproduktion im Belser-Band vergleicht, hat nun fünf Varianten des Friedrich-Bildes vor sich. Welches Bild ist dem Original am nächsten? Natürlich das Original, das im Leipziger Museum der bildenden Künste hängt. Damit wäre auch das im Belser-Band publizierte abgehängt. Und was soll man zu den anderen hundert farbigen Abbildungen des Buches sagen? Ein Halleluja anstimmen? Vorsicht! So manches der Bilder werden einige gesehen haben. Düchting hat, wie er häufig und gern sagt, eine Sammlung "berühmter" Bilder zusammengestellt. Nicht nur, weil sie berühmt sind. Weil sie beste Beispiele sind, um über die Bedeutung von Licht und Schatten in der Kunst ausführlich sprechen zu können. Das bedeutet über die Bedeutung des Lichtes, also das Hell und Dunkel, über Entwicklungen der Bedeutung des Lichtes im Bild und die Wesentlichkeit von Hell und Dunkel in der Kunst.

Dem Wechsel der Auffassungen, dem Wert der Darstellung des Schattens fr die Künstler, widmet der Autor nicht seine ganze, besondere Aufmerksamkeit. Düchting macht deutlich, weshalb, wie lange die Zurückhaltung gegenüber dem Schatten die Bildgestaltung einschränkte. Die Geschichte der Schattendarstellung - man denke an Caravaccio - ist dem Kunstwissenschaftler wichtig. Wie es ihm wichtig ist, abermals die populär-falsche Meinung aus der Welt zu räumen, dass die Impressionisten die Maler des Lichts waren. Ja, sie waren Lichtmaler. Ja, sie haben die Sprache der Farbe neu gesprochen. Der Autor aber schaut weiter zurück. Er schaut auf das, was in der Renaissance entstand. Auf die Meisterwerke, die das Licht feierten, die ihre Wirkung durch das Hell und Dunkel als Kontrast wie Harmonie möglich machten.

Das Spiel von Licht und Schatten, die spielerische Darstellung von Licht und Schatten, ist schon immer eine Sache der Kunst. Von dieser grundsätzlichen Beziehung weiß Hajo Düchting viel. Jahrhunderte der Kunst betrachtend, stellt er Beziehungen her, die auch den Betrachter dazu bringen zu vergleichen. Nur durch den Vergleich, das ist eine der Lektionen des Autors, ist es möglich, sich über Kunst zu verständigen und Kunst zu verstehen. In dem Band gibt es durchaus nicht verblüffende "Gegenüberstellungen" von van Gogh und Bacon, Rembrandt und Eliasson, Friedrich und Carré, ... Wahrlich keine Zufälle! Und besonders einprägsam, vorteilhaft präsentiert, wenn die Abbildungen ein angemessenes Format haben, also halb- oder ganzseitig reproduziert sind. Was wiederum den Vergleich mit Reproduktionen in anderen Büchern zulässt. Nicht zum Nachteil des Bandes von Hajo Düchting.

Der Kenner der Kunst lässt seine Leser in eine Woge des Wissens laufen. Wer da nach Luft schnappt, muss nicht an sich zweifeln. Düchting ist kein Feuilletonist. Seine Texte haben die strenge, strikte Sprache des Fachmannes. Kommt's einzig auf die Vokabeln des Verfassers an? Aber nicht doch! Das Wesentliche des Bandes "Licht und Schatten" ist, was er den Sehenden zum Sehen anbietet. Auch, um das Sehen zu schulen.

Bernd Heimberger
13.02.2012

 
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Das Buch:

Hajo Düchting: Licht und Schatten - vom Hell und Dunkel in der Kunst

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Stuttgart: Belser Verlag 2011
128 S., € 29,95
ISBN: 978-3-7630-2584-8

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