Bildbände

Ein Museum öffnet seine Pforten für Daheimgebliebene

Es gibt nicht viele Museen in Deutschland, die über die Grenzen hinaus bekannt sind und einst in der ganzen Welt bekannt waren. Zu den wenigen Ausnahmen, die heute noch einen Teil ihres alten Glanzes bewahren konnten, gehört zweifelsohne das Museum Folkwang. Im Jahre 1902 in Hagen vom Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus eröffnet, hatte das Kunstmuseum lange Zeit eine Vorreiterrolle im Bereich der Modernen Kunst inne. Als Osthaus 1921 verstarb, wurde seine Sammlung nach Essen verkauft und legte damit den Grundstein für eine Sammlung, die Werke des Impressionismus, des Expressionismus, des Surrealismus und weiterer Stilrichtungen der Modernen Kunst beinhaltet und damals wie heute die Besucher anlockt. Für all jene, denen die Möglichkeit verwehrt ist, nach Essen zu fahren und vor Gemälden von Vincent van Gogh, Pablo Picasso und Paul Cézanne zu stehen, ist Abhilfe in Sicht - der vorliegende Katalog und der dazugehörende Essayband sind ganz dem Motto "'Das schönste Museum der Welt'. Museum Folkwang bis 1933" verschrieben.

Am 28. Januar diesen Jahres wurde offiziell der Neubau des traditionsreichen Museums eröffnet, das mit einer Sonderausstellung an die einzigartige Geschichte der Folkwang-Sammlung und ihrer Entwicklung erinnert. Bei vielen der Werke handelt es sich um Rekonstruktionen, die ihrem Original so nah wie möglich zu kommen versuchen - und es auch im Großteil der Fälle gelingt, wie man im Katalog eindrucksvoll erkennen kann. Mancher mag sich jetzt nun fragen, warum auf "Duplikate", gar "Fälschungen" zurückgegriffen werden muss, wenn die Originale in ihrer Schönheit und Anmut doch so einmalig sind. Die Begründung liegt in der deutschen Geschichte: Vier Jahre, nachdem die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurden mehr als 1400 Werke konfisziert und verkauft. Heute zieren Gemälde von Kandinsky und Matisse, Kirchner und Marc, Munch und Beckmann Privatsammlungen und die großen Museen dieser Welt. Und manche von ihnen sind bis heute spurlos verschwunden. 

Der Katalog mit Bildern von Gemälden, Skulpturen aus fremden Ländern, Ausgrabungsgegenständen und Steintafeln aus dem Alten Ägypten ist nur die eine Seite, die das Museum Folkwang zu dem machen, was es heute ist: zu einem der interessantesten Museen, die mit ihrer Vielfalt an einzigartigen Werken selbst Kunst- und Kulturmuffel zu beeindrucken vermögen. Die Sonderausstellung ist zugleich die Wiedergabe einer Kunstgeschichte, die in ihren Ausstellungsräumen seit über 100 Jahren festgehalten wird, dabei geradezu eingefroren wirkt und daher eine unvorstellbare Faszination auf den Betrachter ausübt.

Doch Fotos von Ausstellungsstücken sind nichts ohne Erinnerungen, Kommentare und begleitende Texte, die ein fachkundiger Guide stets den Besuchern zu erzählen weiß. Diesen Aspekt beleuchtet der Essayband, der begleitend zum Katalog, aber auch unabhängig von diesem gelesen werden kann und dem Kunstinteressierten neue Wege des Verständnisses eröffnet. Zehn Essays erörtern die Geschichte des Museums Folkwangs in größeren Zusammenhängen. Es geht um Museumsreformen in der Weimarer Republik, das Verhältnis zwischen Museum und zeitgenössischen Künstlern, kulturelle Aufgaben des Museums im Gemeinwesen und die neue Museumsarchitektur zwischen Tradition und Moderne. Kurzum: Ein Brückenschlag von der Vergangenheit in die Gegenwart und wieder zurück.

Paul J. Sachs, der amerikanische Kunsthistoriker und Mitbegründer des Museum of Modern Art, hat bei seinem Besuch 1932 nicht zu hoch gestapelt, als er das Museum Folkwang als "das schönste Museum der Welt" bezeichnete. Ein Blick in den Katalog genügt, um zu erkennen, dass Kunst und Kultur nicht nur ein existentieller Bestandteil der Gesellschaft und des Lebens sind, sondern auch stets ein Abbild der Geschichte ihres Landes. Es fühlt sich beim Betrachten der Bilder so an, als stände man in einem der Ausstellungsräume und bewundere diese Mannigfaltigkeit an einzigartigen Werken. Insbesondere der Katalog ist wie ein Museumsrundgang – lediglich auf Bildern und 376 Seiten für die Nachwelt festgehalten. Kunst ist weit mehr als das Gekritzel auf einer Leinwand. Dahinter verbirgt sich stets eine Absicht, eine Aussage des Künstlers, der durch sein Werk zur ganzen Welt spricht.

Susann Fleischer
31.05.2010

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Museum Folkwang (Hg.): "Das schönste Museum der Welt" - Museum Folkwang bis 1933. Katalog

CMS_IMGTITLE[1]

Essen/Göttingen: Edition Folkwang / Steidl Verlag 2010
376 S., € 38,00
ISBN: 978-3-86930-097-9

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.

Museum Folkwang (Hg.): "Das schönste Museum der Welt" - Museum Folkwang bis 1933. Essays zur Geschichte des Museum Folkwang

CMS_IMGTITLE[4]

Essen/Göttingen: Edition Folkwang / Steidl Verlag 2010 200 S., € 18,00 ISBN: 978-3-86930-098-6

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.