Bildbände

Nichts ist, wie es scheint!

Vor allem seine ausgefeilte Technik ist es, mit der der Schweizer Maler und Illustrator Hannes Binder in der Lage ist, Personen, Gegenstände oder Tiere in einem Bild zu verstecken, ohne dass der Betrachter sofort auf das gesuchte Objekt stößt. Bei seinen "Vexierbildern" handelt es sich um vorgetäuschte Holzschnitte: Ein weiß grundierter Karton wird an der Oberfläche mit schwarzer Farbe beschichtet, in die anschließend geritzt wird, so dass weiße Linien erscheinen.

Der vorliegende Band "Hannes Binders Vexierbilder. Wo ist Maigrets Pfeife?" ist eine Sammlung von 65 Vexierbildern, entstanden für das wöchentlich erscheinende Fernseh-Magazin "NZZ Folio" der "Neuen Zürcher Zeitung" in den letzten 10 Jahren - stets orientiert am Thema des jeweiligen Heftes mit Bezugnahme auf die Bereiche Kunst, Literatur oder Populärkultur. Kurze Texte, die über den dargestellten Sachverhalt aufklären und darlegen, wonach zu suchen ist, liefern wertvolles Hintergrundwissen zu den Szenerien und Personen. So wird schnell deutlich: In jedem Einzelbild ist eine ganze Geschichte versteckt, die durch zahlreiche Einzelheiten und Anspielungen an Dichte gewinnt.

Beim Betrachten der Bilder, die oftmals Szenen aus Gemälden darstellen oder von diversen Schriftstellern inspiriert sind, gerät man oftmals auf einen Holzweg, wenn man etwa seinen Blick in einem kunstvollen Tapetenmuster verliert, in dem man das gesuchte Sujet zu entdecken glaubt, bis es schließlich glasklar geradezu hervorzuspringen scheint: Die Lösung des Bildes, die sich irgendwo verbirgt und nur auf eine Entdeckung wartet. Oftmals ist hierzu ein Drehen des Buches notwendig, ein genaues Inspizieren aus nächster Nähe oder mit einer Armeslänge Abstand und zuweilen ein gehöriges Maß an Phantasie. So ist es beispielsweise einmal die Glühbirne, die in einer Darstellung des Erfinders Thomas Alva Edison ausfindig gemacht werden muss, mal ist es der große Rembrandt, der in einer Darstellung seines "Geschlachteten Ochsen" Platz gefunden hat oder das gut versteckte Messer, mit dem Dorian Gray sein eigenes Porträt malträtierte.

Alles in allem ist "Hannes Binders Vexierbilder. Wo ist Maigrets Pfeife?" ein geniales Gesamtkunstwerk, das immer wieder aufs Neue zur Betrachtung einlädt, um für eine Weile in einer Welt aus schwarz-weißen Linien und Wellen zu versinken und damit dem Alltag für ein paar Minuten zu entfliehen sowie zu erkennen: Nichts ist wie es scheint - es kommt immer auf den jeweiligen Blickwinkel des Betrachters an! Dass das lateinische, in diesem Falle namensgebende "vexare" nicht nur "hin- und herbewegen", sondern auch "quälen, plage" heißt, merkt man selbst spätestens dann, wenn eine noch so aufmerksame Suche dennoch erfolglos bleibt. Doch zum Glück gibt es auf den letzten Seiten Lösungstipps, die das ein oder andere Mal sehr hilfreich sein können.

Claudia Birk-Gehrke
07.09.2009

 
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Das Buch:

Hannes Binder, Daniel Weber: Hannes Binders Vexierbilder. Wo ist Maigrets Pfeife?

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Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung 2009
148 S., € 24,00
ISBN: 978-3-03823-547-7

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