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70 Jahre: eine Frau steht im Leben wie ein Grashalm im Wind - hin und her gebeutelt , aber er bricht nicht

Anna, eine Frau in den mittleren Jahren, vertrieben und geflüchtet aus Schlesien, erkämpft sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihrer Familie eine neue Heimat im Osten Deutschlands. Eine schlimme Zeit und schreckliche Erlebnisse liegen hinter ihr, aber sie ist eine, die nach vorn schaut und Biss hat. Glaube, Hoffnung und die Liebe zum Sohn, zur Schwiegertochter und zu den in den Jahren des Aufbaus geborenen Enkeln halten sie aufrecht und wirken als Triebfeder in ihrem Leben. Sie setzt sich ein für andere, vergisst ihr eigenes Leid und kann endlich leben. An ihrem 70. Geburtstag trifft sie die Erinnerung nochmals mit voller Wucht.

Die Geschichten von Annas Familie und des unmittelbaren Umfelds zeigen die schwierigen Lebensbedingungen in der ehemaligen DDR zwischen 1946 und 1970 mit all ihren Facetten auf: Spaltung der politisch zerstrittenen Familie durch die Teilung Deutschlands, Fluchtgedanken in den Westen, unterschiedlichste Beziehungsdramen, Gewalttätigkeiten, Selbstmord(versuche) und tragische Unfälle. Nicht zu vergessen die beklemmenden Schilderungen über das Denunziantentum sowie die Willkür und Repressalien durch die Stasi gegenüber politisch Andersdenkenden und über schlimmste Haftbedingungen für Gefangene. Aber des Öfteren weht auch ein Hauch von westlichem Lebensgefühl durch das sächsische Dorf. Darin eingebettet sind historische Ereignisse wie der Bau der Berliner Mauer, die Grenzschließung zum Westen, das Attentat auf John F. Kennedy und der Prager Frühling, die alle das Leben der Menschen in Annas Umgebung beeinflussen. Mehrere gedankliche Rückblenden von Anna vervollständigen die Biografie einer Frau, die immer standhaft ist und sich der Gegenwart stellt.

Die im schlesischen Dialekt verfassten Dialoge, Gedankengänge und Teile der Rahmenhandlung wirken sehr authentisch. Man gewöhnt sich ebenso schnell daran wie an die manchmal recht derbe Sprache. Herausgekommen ist ein ungeschöntes und realistisches Bild der Jahre 1946 bis 1970 in der ehemaligen DDR sowie ein lesenswertes Stück Heimat- und Zeitgeschichte.

Hugo Meyer
20.06.2016

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