Romane
Gibt es da Zusammenhänge?
Jonas Brand, freischaffender Videojournalist und insgeheim Regisseur, heißt der Protagonist von Martin Suters jüngstem Roman, "Montecristo". Mitte September sitzt Brand auf der Heimreise einer Auftragsarbeit im Zug, als plötzlich ein Ruck durch den Intercity geht und er in einem Tunnel zum Stehen kommt. Die Durchsagen sprechen von einem Personenschaden und so macht sich Brand mit seiner Ausrüstung schnell auf den Weg, um sich eventuell noch ein weiteres Zubrot zu verdienen. Zweieinhalb Monate später erinnert sich Brand überhaupt nicht mehr an diesen Vorfall und stellt durch einen Zufall fest, dass er zwei vollkommen identische 100 CHF-Noten besitzt, die bei einer Überprüfung auf der Bank als eindeutig echt identifiziert werden. Zwei Tage später kommt Brand nach Hause und muss feststellen, dass bei ihm eingebrochen wurde und all seine Sachen durchwühlt wurden. Geschockt begibt er sich auf den Weg zu seiner neuen Freundin Marina und erwacht plötzlich auf dem Bürgersteig vor ihrem Haus. Sie erzählt ihm, dass er niedergeschlagen wurde. Misstrauisch geworden und verängstigt, beginnt Brand, an einen Zusammenhang zwischen den zwei Hundertern, dem Einbruch und dem Überfall zu glauben. Da man ihm bei der Polizei kein Gehör schenkt, fängt er an selbst zu recherchieren, als ganz plötzlich die Realisierung eines lang gehegten Traumes Realität zu werden scheint ...
Hängt das alles zusammen? Und wird Brand das Rätsel lösen? Diese Fragen beantwortet Suter im Laufe der Geschichte, die noch die ein oder andere Überraschung bereit hält. Sein knapper und eleganter Stil lassen die Lektüre nur so dahinfliegen und so manches Mal fragt man sich, was denn nun noch kommt. Mit der Auflösung des Rätsels läuft Suter dann zu wahrer Höchstform auf und schreibt die schönsten Sätze des Buches, die Themen und Fragen betreffen, die über die hier erzählte Geschichte weit hinausgehen. Ja, die den Leser vielmehr dazu bringen, die eigene Gesellschaft zu hinterfragen. Wie würde man selbst entscheiden, wenn man an Brands Stelle wäre? Ich selbst weiß es nicht, wie ich entscheiden würde. Aber allein das man sich die entsprechenden Fragen stellt, macht Suters Montechristo zu einem großen Roman.
Schleißlich lässt sich sagen: Wer Thriller um ehrbare Journalisten mag, wird Suters Montechristo lieben.
Sven Zerbes
04.04.2016