Romane
Der faszinierende Werdegang eines jungen Mannes
Diesen unterhaltsamen, sprachlich kultivierten 700-Seiten-Roman habe ich mit großem Vergnügen gelesen. Wie wohltuend ist einmal eine ganz geradlinige Erfolgsgeschichte in unserer Zeit, da fast alle deutschen Neuerscheinungen von pathologischen Verhältnissen in Gesellschaft, Beruf und Liebesleben handeln! Hier wächst ein Hochbegabter, frühreif und grundvernünftig, aber anfangs ganz Außenseiter, aus der amerikanischen Minderheitsgesellschaft der Indianer in die Mitte der Gesellschaft hinein.
Also ein bürgerlicher Erziehungs- und Bildungsroman, in bester deutscher Tradition, vom Grünen Heinrich bis zum Glasperlenspiel? In gewisser Weise schon, aber dieser Keanu Whiteriver ist nicht nur in Schule und Studium gut, sondern auch als Jazz-Musiker und Leichtathlet, und gerade diese Seiten beschreibt der Autor mit unerschöpflich erfindungsreichem Detail und erkennbar autobiografischem Insiderwissen.
Nach dem Motto: Nur das ganz Detaillierte ist kurzweilig, schildert Paschke die prekäre Existenz historischer Indianerstämme, denen die Besiedelung durch Weiße großes Unrecht getan hat. Keanu beschließt, durch Bildung und Leistung gegen diese Diskriminierung anzutreten. Drückt der Buchtitel „Apfelindianer" dies aber im Deutschen besonders glücklich aus? Er bedeutet Indianer, die nach außen Rothäute, aber im Inneren an die weißen Einwanderer angepasst sind, und ist also aus der Sicht anderer Indianer abträglich.
Sehr schön gelungen ist die Schilderung zweier Liebesbeziehungen, zum Teil gleichzeitig, ganz unbefangen und ohne jede Prüderie, aber auch nicht peinlich, bei denen lange offen bleibt, welche der beiden nun zur Ehe führt. Aber wird die zweite, eigentlich überlegene Geliebte nicht etwas zu glatt durch einen erzählerischen Trick abgeschüttelt? Ein Kabinettstück ist auch die Beschreibung einer juristischen Promotion, so exakt, als habe sie der Autor selbst miterlebt.
Hier hat ein in Amerika höchst erfolgreicher Diplomat im Ruhestand die Geschichte eines talentierten Jungen erfunden, die man als sein Vermächtnis betrachten könnte. Eine englische Ausgabe für amerikanische Leser wäre gewiss sehr willkommen.
Dr. Ulrich Junker
01.06.2015