Romane

Das große und universelle Thema von der Suche nach Geborgenheit und Heimat

Ester und Lola sind langjährige Freundinnen. Lolas Sohn kennt seinen israelischen Vater noch immer nicht. Seine Mutter traf ihn in einem Kibbuz als die jugendlichen Freundinnen nach Israel reisten und ihre ersten Erfahrungen mit der Heimat und der Liebe machten.

In Rückblenden erzählt der Roman „Emoticon“ die Geschichte der komplizierten Beziehung zwischen den beiden Frauen jüdischer Herkunft und vom Aufwachsen des nun 17 Jahre alten Daniels. In der Gegenwart reist Ester nach 18 Jahren noch einmal nach Israel, um an einer wissenschaftlichen Konferenz teilzunehmen. Sie entgeht nur knapp dem blutigen Anschlag eines palästinensischen Selbstmordattentäters. Die niederländische Halbjüdin Ester wird so auf brutale Weise mit der Lebensrealität in Israel konfrontiert.

Aischa erlebt diese Realität auf der anderen Seite. Die 25 jährige Palästinenserin ist eine der radikalen Aktivistinnen, deren Alltag von der Wut gegen die Besatzer geleitet wird. Einst zerstörten diese das wohlgeordnete Leben ihrer Familie. Sie ist zu allem bereit, wenn sich nur die richtige Gelegenheit bieten würde.

Jessica Durlachers neuer Roman behandelt die Themen der erwachenden jugendlichen Sexualität, der Freundschaft, der Identitätssuche, der jugendlichen wie jüdischen, sowie den Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis. Vorangetrieben wird die Handlung von den Reisen der niederländischen Protagonisten Ester und Daniel nach Israel. Getragen wird der Roman von der Erzählung über die schwierige Freundschaft von Ester und Lola.

Auf der Suche, auf der Flucht – die Reisen hach Israel

Aufgrund ihrer Beschäftigung mit den Tagebüchern der jüdischen Kriegsgeneration wird Ester auf eine Tagung über den Holocaustunterricht nach Jerusalem eingeladen. Sie verläßt den Tagungsort, das Restaurant Luce, vorzeitig für eine Liebesnacht mit dem Journalisten Raphael, dem sie zuvor im Hotel begegnet war, und entgeht so dem Anschlag, der zwei ihrer Tagungskollegen tötet.

Wieder zurück in den Niederlanden, noch schockiert und zudem ziellos – sie hat sich von ihrem Freund getrennt, und die Forschungsgelder für ihre Universitätsstelle werden nicht verlängert –, beschließt sie, eine Weile in Israel zu leben. Wohl auch, weil sie eine Postkarte von Raphael bekommen hat, den sie wieder sehen möchte, wohl auch, weil sie so die Bürgschaft für Daniels Aufenthalt in Israel übernehmen kann.

Daniel, Lolas leiblicher Sohn, ist für Ester so etwas wie ein „Leihsohn“. Er beschließt nach der ersten großen enttäuschten Liebe für einen freiwilligen Dienst bei der Israelischen Armee, nach Israel zu gehen. Es ist eine Reise zum Vergessen des jugendlichen Schmerzes und eine Suche nach Orientierung: Daniel beginnt, seine jüdischen Wurzeln zu entdecken, für die er sich nie sonderlich interessiert hatte und identifiziert sich mit dem Kampf gegen die palästinensische Bedrohung. Zugleich und vor allem aber will Daniel seinen leiblichen Vater suchen, von dem ihm seine Mutter nur einmal den Namen genannt hat.

Angekommen in der Realität – Ester trifft Aischa

Es ist Esters zufälliger und kurzer, wie symbolträchtiger Kontakt mit der Palästinenserin Aischa, der Daniel unvermittelt in den realen Konflikt zieht. Die Schatten des Kampfes legen sich über eine alltägliche zufällige Begegnung zweier fremder Frauen in einem Restaurant, die sich in diesem Kontakt sympathisch sind und geben dem Roman ein dramatisches Ende.

Jessica Durlachers Roman behandelt so unterschiedliche Themen, daß man sich fragt, wie sie zusammen in eine Geschichte passen: den Nahostkonflikt, Freundschaft, jugendliche Liebe und die Suche nach (jüdischer) Identität. Es ist vielleicht das große und universelle Thema von der Suche nach Geborgenheit und Heimat und den mit ihr verbunden Sehnsüchten und Enttäuschungen, das man durchgängig mitschwingen hören kann und das alles verbindet. Der Roman bekommt so über seine faszinierend komplexe Erzählweise hinaus eine übergeordnete Kontur.

Sascha Müller
06.05.2006

 
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Das Buch:

Jessica Durlacher: Emoticon

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Zürich: Diogenes Verlag 2006
479 S., € 19,90
ISBN: 3-257-86130-3

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