Romane

Von Europa durch Afrika – ein leidenschaftliches Reisetagebuch

"Es wurde eine ganz andere Reise, als ich es mir vorgestellt hatte!" Schon dieser erste Satz dieses Buchs lässt erahnen, dass es sich um keinen normalen Erlebnisbericht handelt. Der Autor möchte nach kurzem Aufenthalt in Deutschland wieder zurück nach Namibia, um seine biologischen Forschungen weiterzuführen. Aber wegen seiner "gottverdammten Angst vorm Fliegen" fährt er lieber Tausende von Kilometern mit dem Auto.

Als er in einer seiner Lieblingskneipen der Frau hinter dem Tresen davon erzählt, entscheidet sie sich mitzufahren, da sie schon einmal in Afrika war. Das Interessante an ihr: Sie ist in Wirklichkeit eine ganz andere Person, als der Autor zu kennen glaubt. Er hält die Mittdreißigerin für eine ewige Studentin in Völkerkunde und Soziologie, die Kampfsport betreibt, um sich beim abendlichen Jogging zu schützen. Über ihr Privatleben und ihr Verhältnis zur Männern weiß er nicht viel. Jedoch kommt ihm gleich der Gedanke, was alles auf einer wochenlangen Fahrt neben Anstrengungen und Gefahren in einem kleinen, heißen Zelt noch passieren kann. Und es wird mehr, als er je zu träumen gewagt hat.

In einer Art Tagebuch mit insgesamt 53 Reisetagen gibt der Autor die Geschehnisse wieder, die sich aber nicht so sehr auf die jeweilige Landschaft und die dortigen Bewohner beziehen, sondern seine Gedanken und vor allem Augen gelten vielmehr seiner attraktiven und von Anfang an äußerst knapp bekleideten Begleiterin. Der Leser erfährt zwar stets, wie die exakte Reiseroute nach einer Schiffsreise über das Mittelmeer durch die zahlreichen Länder Afrikas verläuft. Jedoch bilden malerische Beschreibungen von Städten, Sehenswürdigkeiten oder andere Erlebnisse mit Einheimischen oder Tieren bis auf wenige Ausnahmen nur die exotische Hintergrundkulisse. Selten klingen auch einmal sozialkritische Bemerkungen über die dortigen Lebensumstände für die Einwohner an.

Nach einer Woche kommt es, wie es kommen muss: Die Begleiterin ergreift die Initiative und fällt über ihren Begleiter her, der mit dieser sexuellen Hemmungslosigkeit ihrerseits nicht gerechnet hat. Und das Interessante: Sie verbittet sich anfangs jeglichen sexuellen Impuls ihres Gegenüber und spricht mit ihm auch nicht darüber. Der Autor spart bei dieser und den zahllosen weiteren Darstellungen nicht mit noch so intimsten Einzelheiten: Jedes noch so kleinste körperliche Detail wird beschrieben, dazu jede noch so kleinste Phase der Erregung, der Steigerung und Zurückhaltung der Lust, die Explosion im Höhepunkt, was in langen Sätzen mit vielen Aufzählungen zum Ausdruck kommt. Es läuft quasi vor den Augen des Lesers ein Film ab. Je länger die Reise dauert, umso ausschweifender, schonungsloser, zügelloser, exzessiver wird der Sex zwischen dem Paar, wobei sie ihn immer wieder zu neuen Praktiken und zur Selbstbefriedigung voreinander auffordert. Es werden letztlich alle Körperöffnungen, Körperflüssigkeiten und sogar Körperausscheidungen mit einbezogen. Sinnliche, zärtliche und knisternde Erotik sucht man folglich vergebens.

Eines wird aber immer deutlicher: Der Autor versucht nach jedem Sex, das Wesen seiner Begleitung immer weiter zu ergründen und lässt durch seine Gedankenspiele den Leser daran partizipieren. Und je weiter der Sex fortschreitet, desto mehr gibt die Begleiterin von sich preis: So berichtet sie recht freizügig über ihre Erfahrungen mit Männern und später auch Frauen in der Schul- und Studentenzeit, auf der Arbeit, im Urlaub sowie ihre Probleme als Nymphomanin. Man könnte sagen: Beide Personen geben immer mehr Körper und anschließend auch Seele von sich preis und werden damit immer nackter voreinander.

Als sich nach sechs Wochen zum Erstaunen des Autors die Begleiterin als Spitzenwissenschaftlerin in Sachen Genmanipulation zu erkennen gibt, kommt es zu einem ernsthaften Disput mit diesem, der natürlich als studierter Biologe eine kontroverse Auffassung dazu hat, damit nicht zurechtkommt und den Sex mit ihr verweigert. Nachdem sie ihn deswegen provoziert hat, kommt es zu einer Vergewaltigung, weshalb der Autor zwar Gewissensbisse bekommt, aber auch erkennt, dass er von ihr quasi dazu gezwungen wurde, um sich und ihr die dunkelsten Bereiche seiner Begierden zu offenbaren. Und in der nächsten Nacht schmusen die beiden zum ersten Mal einfach nur so, ohne Sex.

Je näher beide jetzt dem Reiseziel kommen, desto mehr kommen die Gedanken auf, wie es mit ihnen weitergehen soll. Denn da es keinerlei Geheimnisse mehr voreinander gibt, ist tatsächlich so etwas wie Liebe aufgekommen. Zu guter Letzt findet sich auch für die Begleiterin die Möglichkeit, in Namibia zu bleiben, und das Buch endet - wie kann es anders sein? - mit der Aufforderung der nackten Frau zum Geschlechtsverkehr.

Die Reise nach Namibia ist ein leidenschaftlicher Roman oder mehr, der nicht nur nichts einfach anklingen lässt, sondern den Leser unmittelbar an der sexuellen Welt der beiden Reisenden teilhaben lässt.

Andreas Berger
24.11.2014


Die Lesung im Deutschen Literaturfernsehen finden Sie hier.

 
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Das Buch:

Günter Maria Langhaus: Die Reise nach Namibia

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Frankfurt: August von Goethe Literaturverlag 2014
248 S, € 19,80
ISBN: 978-3-8372-1483-3

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