Romane

Bret Easton Ellis fiktive Autobiografie

Einen Satz aus Shakespeares Hamlet schickt Bret Easton Ellis (41) seinem jüngsten Roman «Lunar Park» voraus. «Ja, von der Tafel der Erinnerung will ich weglöschen alle törichten Geschichten, aus Büchern alle Sprüche, alle Bilder, die Spuren des Vergangnen, welche da die Jugend einschrieb (...)». Was will Ellis uns sagen? Zeigt der US-Schriftsteller, den «Die Zeit» noch vor wenigen Jahren als «Monster» und «meistgehassten Autoren der Welt» titulierte, jetzt Reue?

«American Psycho» hatte Ellis gerade erst 25-jährig zum Superstar des Bösen gemacht. Das Buch über einen Wall-Street-Broker, der nachts mit Schlagbohrmaschinen in Frauenkörper eindringt, landete selbst in Deutschland auf dem Index für jugendgefährdende Schriften. Amerikas Feministinnen verurteilten es als Anleitung zur Folterung.

1998 ließ Ellis, durch «American Psycho» zum Bestsellerautor avanciert, «Glamorama» folgen, die durchgeknallte Geschichte von Supermodels, die zu Terroristen werden. Doch dann verlor Ellis seinen langjährigen Geliebten Michael Kaplan (30). Anlass zur
Selbstbesinnung: Zwei Wochen habe er sich mit einer Kiste Wodka eingeschlossen, dann aber weiter geschrieben, gab Ellis kürzlich zu.

Der neue Roman, Ellis's fünfter, ist dem toten Geliebten gewidmet, überraschenderweise aber auch dem Vater. Jener sei «lieblos, ausfallend, alkoholabhängig, eitel, zornig, paranoid gewesen», klagt er und macht den Vater zum Ursprung der eigenen
Misere: «Meine Schwestern und ich entdeckten in einem ungewöhnlich frühen Alter die dunkle Seite des Lebens; aus dem Verhalten unseres Vaters lernten wir, dass man sich auf nichts in der Welt verlassen kann.»

«Lunar Park» ist zumindest anfänglich eine Reflexion von Ellis'
Leben und Schaffen. «Mein Leben war mir über den Kopf gewachsen», schreibt der Autor und spricht von dem «Trümmerfeld (...), von dem ich mich umgeben sah». Jedes Wort sei wahr, versichert er dem Leser.
Alles, was er in «Lunar Park» auf 457 Seiten erzählt, habe sich zugetragen. Und so beginnt er den Lebenslauf des ebenso bekannten wie umstrittenen US-Schriftstellers Bret Easton Ellis aufzuzeichnen.

Dieser zieht mit seiner Frau Jayne Dennis, Mutter seines Sohnes Robby, nach Suburbia, eine jener öden und gesichtslosen Vorstädte in Amerikas Nordosten. Dort, auf der Elsinore Lane, nimmt nach einer wilden Halloween-Party mit Kokain und viel Alkohol aber das bekannte Grauen bald überhand: Die Puppe seiner Stieftochter hat plötzlich dämonische Kräfte, Nachbarschaftsjungen verschwinden, der lange verstorbene Vater terrorisiert Ellis aus dem Reich der Toten.

Mit seiner Erzählung steuert Ellis nahtlos von Horror zu Sinnlichem und von abstoßenden zu wirklich berührenden Szenen. Sie als autobiografisch oder fiktiv einzuordnen, bleibt dem Leser überlassen. Eine Herausforderung, die verunsichert, aber auch die Spannung aufrecht erhält.

Gisela Ostwald, dpa
09.01.2006

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Bret Easton Ellis: Lunar Park

CMS_IMGTITLE[1]

Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch 2006
457 S., € 22,90
ISBN: 3-462-03654-8

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.