Romane

Das verlorene Land - fantastische Fantasy

In der Graphic Novel erzählen Autor Jean Dufaux und Zeichner Grzegorz Rosinski in einem dicken und edel aufgemachten Hardcoverband in vier Teilen die (erste) Geschichte des sogenannten verlorenen Landes, die eng mit der Prinzessin Sioban zusammenhängt. Nachdem deren Vater verstorben ist, entscheidet sich ihre Mutter, neu zu heiraten, um ihre Tochter zu beschützen. Doch die junge Prinzessin verabscheut ihren Stiefvater Lord Blackmore, der gleichzeitig auch ihr Onkel ist. Der Rest der Geschichte erinnert deutlich weniger an Shakespeares Hamlet. Gefahr scheint vor allem durch den finsteren Magier Bedlam zu drohen, dessen Mannen der Hochzeit beiwohnen. Und was hat es mit dem geheimnisvollen Gnadenritter Seamus auf sich, der offensichtlich auf der Suche nach Sioban ist? Schon bald muss die Prinzessin um ihr Leben kämpfen.

Mit dem Comic "Das verlorene Land" beweist Jean Dufaux einmal mehr seine enorme Vielseitigkeit. Schließlich hat sich der studierte Filmwissenschaftler und Journalist bereits erfolgreich an Genres wie Historienepos ("Murena"), Sciene Fiction ("Samba Bugatti") und Krimi ("Jessica Blandy") versucht. Hier mischt der Belgier gekonnt fantastische mit mittelalterlichen Elementen zu einem stimmigen Ganzen. Zwar entwickelt er die Story recht behutsam, lässt aber durch die Vielzahl von Geheimnissen, die die Geschichte umgeben, keine Sekunde Langeweile aufkommen. So fragt sich der Leser bereits nach wenigen Seiten, was Seamus eigentlich vorhat, was es mit diesem verlorenen Land auf sich hat und welches Mysterium Lord Blackmore verbirgt. Gerade im späteren Handlungsverlauf sorgen zudem einige unerwartete Wendungen für Dynamik und Überraschungen. Mit dem possierlichen Ouki Zog - der so etwas wie die fantastische Version eines Eichhörnchens zu sein scheint - und dessen Auseinandersetzungen mit dem Küchenchef schafft der Autor gleichzeitig immer wieder komische Kontrapunkte, die für Abwechslung sorgen. Man mag kritisieren, dass Jean Dufaux etwas eindimensional in seiner Graphic Novel das Gute auf das Böse treffen lässt. Allerdings wäre das ein wenig unfair, da der erste Teil von "Das verlorene Land" bereits vor über 20 Jahren erschien. Sehr gut ist auch die Übersetzung der Texte aus dem Französischen gelungen. Hier bleibt nämlich der leicht mittelalterlich angehauchte Sprachgestus erhalten, der viel zur Atmosphäre beiträgt.

Uneingeschränkt loben muss man Grzegorz Rosinski, der bereits mit "Thorgal" ein bekanntes Fantasy-Reihe bebildert hat. Durch seine starken zeichnerischen Leistungen haut er auch diesem Epos Leben ein. Das beginnt bereits beim Titelbild, das eine verletzlich wirkende Sioban vor schwarzem Hintergrund zeigt. Erst bei genauem Hinsehen lassen sich die Fratzen erkennen, die in der Dunkelheit lauern. Ähnlich stimmungsvoll lässt der Pole die Graphic Novel auch beginnen, indem er anfangs nur eine dichte  Nebelwand zeigt, aus der sich auf den nächsten Panels die Konturen eines Schiffes herausschälen. Vor allem durch Bauwerke und Landschaften baut er immer wieder geschickt eine passende Atmosphäre auf und gestaltet die Zeichnungen sehr detailreich. Wie gut er die Mimik seiner Figuren darzustellen vermag zeigt er vor allem im zweiten Teil, wo es ihm gelingt, die "Verwandlung"  Siobans optisch schon durch ihre leicht veränderten Gesichtszüge zu verdeutlichen. Und dass die frechen Oukis so komisch und niedlich wirken ist natürlich auch seiner Zeichenkunst zu verdanken. Voll entfalten kann sich diese übrigens auch durch die schönen und sehr stimmungsvolle Kolorierungen von Graza. Am Ende des Bandes finden Leser als besonderen Bonus noch eine umfangreiche Galerie mit Zeichnungen und Charakterstudien.

"Das verlorene Land" ist ein zeitloser Klassiker des Fantasy-Comics und überzeugt nicht nur durch eine spannende Story, sondern vor allem durch die starke Optik. Kurz und gut: "fantastisch".

Ingo Gatzer
15.09.2014

 
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Das Buch:

Jean Dufaux, Grzegorz Rosinski: Das verlorene Land

Bielefeld: Splitter-Verlag 2014
264 S., € 44,80
ISBN: 978-3-86869-723-0

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