Romane

Das Leben von Maria

Am Anfang erfährt der Leser, dass Maria eine Prostituierte ist - und dann wird von einem kleinen Mädchen aus kleinen Verhältnissen in Brasilien erzählt.

Die Geschichte beginnt, als Maria elf Jahre alt ist, erzählt elf Jahre aus ihrem Leben und zeigt, dass "elf Minuten" sehr kurz oder sehr lange dauern können ...

Das Buch erzählt aus dem Leben von Maria, die schon als Kind Träume von der Liebe hat – und ziemlich genaue Vorstellungen davon: Die kleine brasilianische Stadt, in der sie aufwächst, ist ihr bald schon zu eng und sie sehnt sich nach ihrem Märchenprinzen, der sie aus dieser Welt entführt. Sie verliebt sich, ist natürlich unfähig es zu zeigen – aber sie lernt schnell: dass "gewisse Dinge nicht nachholbar, sondern auf ewig verloren sind", dass "Liebe meist mit Abwesenheit zu tun hat" und dass es sie eben gibt, diese "wunderbare mörderische Sache, die Liebe hieß". In ihrem Tagebuch erzählt sie vom ersten Kuss, von ihrer Sehnsucht nach der weiten Welt, vom Wechsel ihrer Gefühle. Sie ist hübsch und hat viele Verehrer; Jungen und Männer werden aber nur zu einem Werkzeug für sie, um Erfahrungen zu sammeln. Sie schafft es ihre Gefühle anderen gegenüber zurückzunehmen, sie verliebt sich nicht aus Angst vor dem Schmerz. Sie entdeckt: "Diejenigen, die meine Seele berühren, können meinen Körper nicht erwecken. Und die, denen ich mich hingebe, können meine Seele nicht berühren."

Sie lernt, es im Leben zu etwas zu bringen, arbeitet und spart, zieht aber ein Abenteuer, die Verwirklichung eines Traumes einem vielleicht sicheren und ruhigen Leben an der Seite ihres Chefs vor. Der Urlaub in Rio de Janeiro verändert ihr Leben. Als sie einen Ausländer – Europäer, Schweizer – trifft, der ihr einen Job als Tänzerin anbietet, sieht sich Maria am Ziel ihrer Träume ... Mit einem neuen Kleid und neuen Schuhen fühlt sie sich als "Prinzessin des Universums".

Maria hat nichts zu verlieren, nimmt das Angebot an – doch das Ganze ist kein Spaß. In Genf ist alles ganz anders: Für ein Abenteuer ist es zu kalt, sie hat kein Geld, ihre Träume zerplatzen wie Seifenblasen. Sie sieht ihre Alternative: "Opfer der Welt zu sein oder eine Abenteuerin auf der Suche nach einem Schatz". Maria entscheidet sich – natürlich – für die zweite Möglichkeit.

Die beginnt in einem Nachtclub zu arbeiten, wird zur "respektablen Hure", oft zur Ratgeberin ihrer Kunden. Maria lernt, dass für den eigentlichen Sex im Schnitt elf Minuten genügen – doch das hält sie nicht ab, im Stillen immer noch nach der wahren Liebe zu suchen: "Freiheit gibt es nur dort, wo Liebe ist. Wer sich vollkommen hingibt, wer sich frei fühlt, liebt am meisten. Und wer am meisten liebt, fühlt sich frei." Und Liebe hat nichts mit diesen elf Minuten zu tun.

Sie begegnet einem Maler, der "ihr inneres Licht" sieht, fühlt sich zu ihm hingezogen, zieht sich aber aus Angst vor Gefühlen zurück. Nur ihrem Tagebuch gesteht sie, dass sie zum ersten Mal im Leben das Bedürfnis hat, einen Mann glücklich zu machen.

Eine zweite Begegnung verändert Maria: Terence zeigt ihr eine andere Seite der Sexualität. Sie lernt bedingungslos hinzunehmen und grundlos zu leiden, und: "Leiden, ohne Furcht angenommen, führt zur Freiheit". Schließen sich die "Dämonen und Schatten der Lust" und die Liebe aus?

Nach einem Jahr in Genf ist Maria verändert. Immer aber hat sie ihre Träume, ihre Fähigkeit zu träumen und ihren Stolz behalten. Und ganz unmittelbar vor ihrer Rückkehr nach Brasilien ist sie ihrem Traum von der großen Liebe ganz nah. Sie ist überzeugt davon, dass es zwischen dem "Gehen, wenn es am schönsten ist" und der "Kinder, Küche, seltener Sex-Falle" doch noch etwas gibt.

Paolo Cuelho erzählt dicht und fast atemlos aus den elf Jahren Marias, mal in sehr deutlicher Sprache, mal ganz zart und lyrisch. Vor allem die Passagen aus ihrem Tagebuch sind tiefsinnig und fast schon poetisch. Maria, die schon als kleines Mädchen zugeben und dazu stehen konnte, dass sie etwas nicht weiß, die viele Träume und Hoffnungen verloren hat, zeigt sich am Ende immer stark und lässt nicht zu, dass sie daran zerbricht.

ker
16.08.2005

 
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Das Buch:

Paulo Coelho: Elf Minuten

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Zürich: Diogenes Verlag 2005
282 S., € 19,90
ISBN: 3-257-06373-3

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