Romane

Eine literarische ménage à trois

Die Studentin Nana und der Schauspieler Moshe sind ein Paar. Sie verlieben sich, sie haben Sex, sie wohnen zusammen, sie trennen sich. Eine ganz gewöhnliche Liebesgeschichte – bis auf den Umstand, dass noch eine weitere Person dazukommt. Die gemeinsame Freundin Anjali wird nach und nach in die Beziehung integriert, bis Tisch und Bett im Norden Londons durch drei geteilt werden.

Strategie dreht sich um die komplizierte Strategie des menschlichen Zusammenlebens und die Unsicherheiten und Ängste, die dieses mit sich bringt. Der Sex steht im Mittelpunkt des Geschehens, ist aber meistens eher Kontra- als Höhepunkt; hier zeigen sich die Schwächen und Eitelkeiten der Protagonisten am deutlichsten, oder vielmehr werden sie aufgezeigt von einem Erzähler, der immer wieder in den Vordergrund tritt und die Beweggründe seiner Protagonisten erläutert, hinterfragt oder einfach die Gelegenheit nutzt, um weiträumig auszuholen. Er philosophiert über Stalin, Bauhaus und Kundera und schlägt im nächsten Moment elegant den Bogen zurück zu seiner eigenen ménage à trois. Dabei wird keine Thematik isoliert behandelt, alles hängt zusammen und wird aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. An einer Stelle merkt der Erzähler folgendes an: "Liebesgeschichten sind kompliziert. Sie betreffen mehr als eine Person. Das bringt es mit sich, dass jedes Detail mehrdeutig sein kann. Und gerade das gefällt mir ganz gut daran." – So wird die Geschichte zu einem Strudel aus Gedankengängen und Körperlichkeiten, die ineinander übergehen.

Der junge Adam Thirlwell spielt mit dem Leser als Voyeur; sein Debutroman verdeutlicht in postmoderner Manier die immerwährende ménage à trois zwischen Leser, Autor und Text. Dabei wirken seine Figuren zu keiner Zeit aufgesetzt oder konstruiert. Sie entstammen der Sex and the City Generation, sind aber nicht nur mit Shoppen und Ausgehen beschäftigt (obwohl der Erzähler natürlich auch dazu etwas zu berichten weiß). Die Suche nach der Liebe wird nicht romantisiert und die Probleme im Bett nicht zensiert, aber auch die Beschäftigung mit dem Tod nicht ausgespart.

Die Beziehung von Nana zu ihrem Vater, der im Laufe der Handlung einen Gehirntumor erleidet, lebt von leisen Zwischentönen. Gerade im Zusammenspiel mit der turbulenten Dreierbeziehung wird aus dem Buch eine umfassende Beschäftigung mit Leben und Liebe. Das Erfrischende daran ist der positive Grundton des Erzählers; gerne vermisst man den gelangweilten Zynismus, der so vielen Erzählungen der heutigen Zeit anhaftet.

jw
01.06.2005

 
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Das Buch:

Adam Thirlwell: Strategie

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Frankfurt/Main: S. Fischer Verlag 2004
319 S.
ISBN: 3-10-080048-6

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