Romane

Die Tränen des Königs

Eis und Finsternis bestimmen die Ankunft des britischen Lautenspielers Peter Claire am d?nischen Hof. K?nig Christian IV.  (1588-1648) hat den Musiker engagiert f?r ein erlesen besetztes Ensemble, das zur ?blichen Unterhaltung am k?niglichen Hof in Kopenhagen spielen soll. Die "liebliche Klangvielfalt" dieses einzigartigen Orchesters, so erkl?rt es eines Tages der Lautenist, liegt gerade in den unterschiedlichen geographischen Urspr?ngen seiner Mitglieder. Wunderlicherweise sind die Musiker aber in ein kaltes Kellergew?lbe unter den Herrschergem?chern verbannt, von wo sie lediglich durch eine ge?ffnete Fallt?r im Boden des "Vinterstue" zu h?ren sind. Doch der Lautenspieler von der britischen Insel auf der anderen Seite des Meeres hat nicht nur das Aussehen eines Engels. F?r seinen Herrn, den K?nig von D?nemark und Norwegen, nimmt er im Verlauf der Handlung auch die Funktion eines Schutzengels und f?rsorglichen Begleiters ein.

Allerdings ist die Beziehung des Hofmusikanten zu seinem Herrn, worin die preisgekr?nte britische Autorin Rose Tremain ein wenig an den Vorg?ngerroman "Des K?nigs Narr" (dtv) anschlie?t, nur eine der vielen Erz?hlstr?nge, die hier zu einem kunstvollen historischen Tableau miteinander verbunden werden. Andere Personen umgeben das zentrale Figurenpaar wie das raffinierte Geflecht eines eindrucksvollen Gobelins, so etwa die untreue und dumme K?nigin Kirsten, ihre Hofdame Emilia Tilsen, der irische Graf Johnnie O?Fingal und seine Frau Francesca, der reiche Gutsbesitzer Johann Tilsen auf J?tland und seine b?urische Haush?lterin Magdalena.

Eine Verwirrung k?nne nur dann aufgel?st werden, "wenn man vielf?ltig Verflochtenes aufs Einfache reduziert", wird der Philosoph Ren? Descartes an einer Stelle des Romans zitiert. Das kartesianische Prinzip ist freilich zugleich ein Hinweis auf die Komposition des Romans selbst. Die handelnden Figuren stehen in unterschiedlicher Konstellation f?r einfache Gegens?tze: Sch?nheit und H??lichkeit, Keuschheit und Wollust, Wissensdurst und Ignoranz, Reinheit und Verworfenheit, Sensibilit?t und Unempf?nglichkeit, Liebe und Ha? ? und schlie?lich: Musik und Stille, wie n?mlich der englische Originaltitel des Buches lautet. Denn die Musik erh?lt eine ?ber allem stehende universale Bedeutung, und zwar in zweierlei Gestalt, einmal als eine Kunst, welche die Kraft der Heilung besitzt, und zum anderen als ein magisches Element, das zerst?rerisch wirken kann. Der heilenden Wirkung des Lautenspiels von Peter Claire, besonders auf Christian, seinen Herrn, steht der tragische Untergang des Grafen O?Fingal entgegen, den Musik nicht rettet, sondern zugrunde richtet. Seine einmal im Traum vernommene Melodie scheint auf Erden nicht mehr aufzusp?ren zu sein. "Papas verlorene Musik", so mutma?t einmal eine der T?chter des Grafen, sei vielleicht "von einer Art, da? sie niemand h?ren kann?"

Auf h?chst raffinierte Weise verbindet Rose Tremain mit gro?er Fabulierlust das Geheimnis dieser "Melodie der Stille" ? so der Titel der deutschen Ausgabe ? mit den widerspr?chlichen Charakteren der Menschen. So spielt die Musik in einem Roman, der auch in seiner Sprache wunderbar gegenw?rtig und entr?ckt zugleich ist, eine weit schicksalhaftere Rolle, als es sich dem Leser auf den ersten Blick offenbart.

cth
01.10.2004

 
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Das Buch:

Rose Tremain: Melodie der Stille

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München: Deutscher Taschenbuchverlag 2004
151 S.
ISBN: 3-423-13006-7

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