Romane

Fesselnde , gelungene , glaubwürdige Erzählung

Wenige Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes und kaum aus dem Krankenhaus entlassen, flieht eine 22j?hrige Studentin vor ihrer neuen Aufgabe als Mutter. Erst mal weg aus Leipzig, in Berlin wird sie sich ein eigenes Leben aufbauen ... Dort bricht sie vor Schw?che zusammen. Weiter nach Frankfurt, wo ihre Mutter wohnt (die allerdings bei dem Baby war, als Rosa die Flucht ergriff - aber nicht mal so weit scheint Rosa denken zu k?nnen.). Dieser Wunsch nach kindlichem Bemuttertwerden f?hlt sich dann doch nicht richtig an, also: zum Flughafen und auf nach New York, wo endlich die gro?e Freiheit und Selbstverwirklichung beginnen wird ... Ein Buch ?ber postnatale Depression - ein Frauenbuch - denn welcher Mann wird sich die auch physischen Details dieser Situation antun. Aber sie sind herrlich lapidar beschrieben, man merkt, Rosa hat keine Kraft mehr, sich aufzuregen. Sie nimmt hin.

In diesem Buch geht es nur um Rosa. Um ihre Tr?ume, ihre ?ngste, Panik, Hoffnungen, Schmerzen. Endlose innere Monologe. Beklemmendes Sich-Wiederholen von Luftschlosspl?nen, von Euphorie und Scheitern. Kaum je denkt die Kindsmutter, Ehefrau und Tochter an Baby, Mann oder Mutter - und wie die drei fertig werden mit der Situation, die das heimliche Verschwinden ausgel?st hat. Wenn Rosa an Moritz oder Tom denkt, dann, weil IHR etwas fehlt; nicht weil sie sich Gedanken macht dar?ber, was den anderen fehlen k?nnte. (Doch, am Ende denkt sie auch einmal daran: "Der zur?ckgelassene Moritz. Die Chance auf die gr??te Liebe ihres Lebens vertan. Auf die reinste und tiefste Liebe. Keine Chance hat Rosa ihrem Baby gegeben.")

Also eine krasse Egoistin, diese Rosa? Nein, denn bei dieser Bezeichnung setzt man ein gewisses Ma? an Verantwortungsf?higkeit voraus, an Abw?gen-K?nnen, an realistischer Einsch?tzung von Situationen und Lebensgesetzen. Rosa hingegen ist nur biologisch eine Frau; in der Seele ist sie noch ein Kind. Sie ist so schrecklich ?berfordert, dass sie einem leid tut. Und es schimmert durch, wie zauberhaft sie wohl "eigentlich" ist, so dass man sie gern hat; dennoch.

Zur Einbandgestaltung: Eine Gerbera schaut uns an - ja, diese Blume mit dem enorm langen, aber nicht sehr festen Stil, die von den Blumenh?ndlern immer St?ck f?r St?ck mit einem St?tzdraht versehen werden m?ssen. Die krakelige Schrift des Titels ROSA deutet auf das innere Kindsein der jungen Frau hin; der sch?ne sichere Schriftzug ROSA dar?ber gibt dem Leser immer wieder Hoffnung, dass die Protagonistin dieser heftigen Krise heil und erwachsen aus derselben hervorgeht.

In der ersten H?lfte des Buches habe ich gedacht "spannend wie ein Krimi"; dann begann ich, es als arg lang zu empfinden. Gut, die Bedr?ngnis der jungen Frau wird dadurch noch sp?rbarer. Aber um einen Roman handelt es sich trotz der 214 Seiten nicht. Es ist die fesselnde, gelungene, glaubw?rdige Erz?hlung einer Lebenskrise (f?r die die Autorin mit dem Alfred-D?blin-F?rderpreis ausgezeichnet wurde).

fms
20.05.2002

 
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Das Buch:

Heike Geißler: Rosa

CMS_IMGTITLE[1]

Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 2002
240 S.
ISBN: 3-421-05605-6

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