Romane

Die größte Untat der isländischen Geschichte

Island, die unzug?ngliche Insel im Nordatlantik, schafft es mit seinen gerade einmal knapp ?ber 300.000 Einwohnern immer wieder, sich vehement in das europ?ische Bewusstsein hineinzudr?ngen: Seien es die Handballer des Inselstaats, die allj?hrlich bei den gro?en Turnieren stark aufspielen, letztmals gelang bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking der Einzug ins Finale und damit der Gewinn der Silbermedaille, oder seien es einzelne Fu?baller, die in der Bundesliga oder der englischen Premier League hier und da f?r Furore sorgen, oder seien es die Schachspieler, die Island weltweit zum Land mit der h?chste Dichte an Schachgro?meistern - aktuell elf Titeltr?ger - machen, oder seien es K?nstler wie Bj?rk oder der Schriftsteller Arnaldur Indri?ason, dessen Reykjav?k-Krimis hierzulande hohe Popularit?t genie?en. Man stelle sich nur einmal vor, derart viele Pers?nlichkeiten aus einer gr??enordnungsm??ig vergleichbaren deutschen Stadt wie Bielefeld oder Mannheim rekrutieren zu wollen.

Doch wei? man hierzulande nur wenig ?ber die Geschichte der Insel mit der besonderen strategischen Lage zwischen Amerika und Europa, au?er vielleicht, dass die Wikinger f?r die Besiedlung der Insel in besonderem Ma?e verantwortlich zeigten. Das 13.Jahrhundert verk?rperte eine Epoche der Stammesfehden und B?rgerkriege auf Island und ist als Zeitalter der Sturlungen ob der Vorherrschaft der gleichnamigen Familie in die Geschichtsb?cher eingegangen. Der Politiker und Historiker Snorri Sturluson war anno 1241 von Gissur ?orvaldsson und dessen Mannen ermordet worden: Eine Tat, die in den Augen der Sturlungen nicht unges?hnt bleiben durfte. Genau in dieser Zeit der Rache spielt der neueste Roman Einar K?rasons "Vers?hnung und Groll".

Er handelt von den Bem?hungen Gissurs, eine Zeit des Friedens einzul?uten, insbesondere mit der geplanten Verm?hlung seines Sohnes Hallur und der Sturlungen-Tochter Ingibj?rg. Gissur war auf Betreiben des norwegischen K?nigs Hakon IV. und durch dessen wachsenden Einfluss auf Island inthronisiert worden. Ein berauschendes Fest ?ber mehrere Tage wird auf dem Anwesen Gissurs gefeiert, alle scheinen gl?cklichen und friedlichen Zeiten entgegenzugehen. Doch nicht allen Sturlungen ist diese Harmonie willkommen, sondern vielmehr ein Dorn im Auge, so dass die "gr??te Untat der isl?ndischen Geschichte" ihren Lauf nimmt. Unter dieser Bezeichnung haben sich die Ereignisse n?mlich im Geschichtsbewusstsein der Isl?nder festgesetzt.

Einar K?rason w?hlt im vorliegenden Buch eine ganz au?ergew?hnliche Erz?hltechnik. Insgesamt l?sst er die Geschichte, die aufgrund ihrer 192 Seiten in der deutschen Ausgabe von eher geringem Umfang ist, aus der Perspektive von insgesamt 16 verschiedenen Personen erz?hlen. Dabei wechselt er pro Kapitel die Erz?hlperspektive, indem er per Kapitel?berschrift dem Leser signalisiert, welche Person denn nun in der Ich-Form seine Sicht auf die Dinge schildert. K?rason verlangt dabei vom Leser gewisse Cham?leon-Eigenschaften ab, da sich die Kapitel im Rahmen von zwei bis f?nf Seiten bewegen und somit ein st?ndiger Wechsel der Erz?hlperspektiven stattfindet. Der Leser muss sich demnach stets aufs Neue in die jeweilige Person hineinversetzen.

Die gew?hlte Technik Einar K?rasons bietet dem Leser im Gegenzug aber zugleich einen mannigfaltigen Einblick in die Geschehnisse, da alle Parteien zu Wort kommen und der Leser sein eigenes Urteil f?llen darf. Vielleicht auch um diese Neutralit?t und Unvoreingenommenheit weiterhin gew?hrleisten zu k?nnen, hat der herausgebende btb-Verlag den urspr?nglichen und beurteilenden Arbeitstitel "Die Zornigen" zur?ckgezogen und f?r ein wenig Verwirrung beim interessierten Leser gesorgt.

Zu Beginn des Buches mag der deutsche Leser ein wenig mit der Vielzahl an Charakteren, deren hierzulande nicht unbedingt gel?ufigen Namen, aber auch mit den mitunter komplexen verwandtschaftlichen Beziehungen zu k?mpfen haben. Hat der Leser diese H?rde einmal genommen, steht einem ungew?hnlichen Lesevergn?gen nichts mehr im Wege. Dies mag auch der gelungenen ?bersetzungsarbeit aus dem Isl?ndischen ins Deutsche geschuldet sein. Kein geringerer als der Erfolgsautor von "Das war ich nicht", Kristof Magnusson, konnte daf?r gewonnen werden. Schlie?lich gibt es ?bersetzer f?r diese seltene Sprache nicht unbedingt wie Sand am Meer.

Auf knapp 200 Seiten vermittelt K?rason das Bild einer unbekannten Epoche in einem nahezu unbekannten Land. Er l?sst einen die Rauheit der Zeit, der Insel und der Menschen f?rmlich sp?ren, so dass man sich gl?cklich sch?tzt, im Hier und Jetzt ein solches Buch in den H?nden halten und die Geschichten aus der Zeit der Sturlungen nur nacherz?hlt miterleben zu d?rfen. "Vers?hnung und Groll" schafft es, den Leser im Verlaufe der Geschichte immer mehr in den Bann und den Strudel der Ereignisse zu ziehen, die durchaus einen nachhaltigen Eindruck beim Leser hinterlassen.

Christoph Mahnel
14.03.2011

 
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Das Buch:

Einar Kárason: Versöhnung und Groll

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München: btb Verlag 2011
192 S., € 18,99
ISBN: 978-3-442-75252-2

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