Romane
Keine großen Geschichten - Wie Jamal Tuschick eine verspätete Beat-Generation aufleben lässt
Nach dem ersten Roman Keine große Geschichte, liefert uns Jamal Tuschick nun mit Kattenbeat, ein Roman in drei Stücken, eine Art Fortsetzung, in der er die Protagonisten Teichmann und Koller, bis hin zu der Nebenfigur des gescheiterten Gittaristen Burroughs erneut auftauchen lässt, sie variiert und ihre Geschichten in unterschiedlichen Erzähl- und Zeitebenen weiterspinnt.
Diese Gruppe von Freunden, eine Art verspätete nordhessische Beat-Generation, hauptsächlich bestehend aus Kran, Teichmann und Koller, bildet eine verschworene Gemeinschaft, zwischen Protesthaltung und Anpassung, dem Traum vom anderen Leben und dem Aufbruch, von Kassel nach Göttingen, von Göttingen nach Frankfurt, auf der Suche nach Freiheit, ohne Ziel, zwischen der Hoffnung und dem Scheitern, zwischen der Straße, den Dönerbuden, den Cafés und Kneipen der Städte, den Spelunken, der Disco U60311, den Absteigen und den Möchtegernflaneuren der Mainmetropole, aber immer mit der Parole Kattenbeat im Gepäck. "Die Namen meiner Gefährten haben für mich eine außerordentliche Bedeutung. Sie klingen zusammen mit Kattenbeat."
Jeder der drei Teile steht unter der Dominanz eines der drei Protagonisten und der Stadt: Im ersten Teil ist es Kran in Kassel, im zweiten Teichmann in Göttingen und im dritten Koller in Frankfurt. Im ersten Teil widmet sich Tuschick vornehmlich den Wurzeln in Kassel, beginnend mit einer Wolfsjagd im 10. Jahrhundert, im zweiten Teil dem Herbst 1989 in Göttingen, um im dritten Teil in der Frankfurter Jetztzeit anzukommen.
Tuschick erweist sich damit nicht nur als Chronist Frankfurts, des Frankfurter Nachtlebens, sondern auch der hessischen Geschichte insgesamt, die er mit seinen Charakteren gekonnt verwebt. Diese interessante Verbindung ist es, die vor allem im ersten Teil zum Tragen kommt und ihn am Gelungensten erscheinen lässt. Aber nicht nur in diesem Teil wird deutlich, dass Tuschick ein begabter Erzähler ist, wenn er mit unterschiedlichen Erzählebenen spielt, dabei keinem flüssigen Erzählstrom verpflichtet, Episoden immer wieder abbricht, um sie irgendwann von neuem wieder aufzugreifen.
Dem Leser wird hier keine leichte Kost zugemutet, vielfach muss man einzelne Episoden erneut lesen, um sie zu begreifen. Aber dies sind eben die Risiken und Nebenwirkungen der bewussten Kunstsprache, der ungewöhnlichen und ganz eigenen Bildmetaphorik. Tuschick möchte nichts erfinden, er möchte, wie er in einem Interview sagte, "beschreiben .., was ich sehe." Und so skizziert er knapp und mit großer Eindringlichkeit das, was er seit Jahren aus seinem autobiographischen Steinbruch nach Hause trägt, verfeinert und komprimiert, hoch aufgeladen und als Mosaik zusammengestellt.
Lediglich im letzten Teil des Romans mag man dem Erzähler nicht mehr so recht folgen, weil sich Tuschick hier im Protagonisten Koller in weiten Strecken selbst stilisiert. Für diesen eher langweiligen Teil sorgen vor allem die eigenen zitierten journalistischen Arbeiten, die eingestreut werden. Und hier erweist sich das ansonsten mutige und originelle Erzählen als zu leicht. Die dicht am Leben erzeugte Bildmacht und Eindringlichkeit wird hier durch eine allzu eindimensional wirkende autobiographische Textspur überlagert.
Mit Kattenbeat legt Tuschick aber insgesamt ein Buch voller treffender Beobachtungen vor, die letztlich direkt aus dem Selbstverständnis einer verspäteten Beat-Generation kommt, die noch mit Vierzig im U60311 an der Kasse steht und Karten abreist.
Fra
01.02.2002