Romane

Zeitreisen für Anfänger und Fortgeschrittene - Staunen und Schrecken garantiert!

Wir schreiben das Jahr 1888, der Schauplatz ist London. Der junge Andrew Harrington stammt aus gutem Hause und kommt nicht umhin, sich von seinem Leben voller Luxus und ohne jede Verpflichtungen gelangweilt zu fühlen. All dies ändert sich jedoch schlagartig, als er sich in die Prostituierte Mary Kelly verliebt, die im berüchtigten Londoner Armenviertel Whitechapel lebt. Just als er glaubt, nun mit der Frau seiner Träume an seiner Seite endlich glücklich zu sein, wird Whitechapel von einer grausamen Mordserie an Prostituierten heimgesucht. Schließlich macht Andrew eine grausame Entdeckung, die ihn bis in sein Innerstes erschüttert.

Andrew auch acht Jahre nach dem Zwischenfall derart am Boden zerstört zu sehen, tut seinem Cousin Charles in der Seele weh - doch da erreicht ihn die Lösung aller Probleme Andrews in der Form eines Reklamezettels des Unternehmens "Zeitreisen Murray". Wie die beiden mit Staunen zur Kenntnis nehmen, veranstaltet Mr. Gilliam Murray tatsächlich Zeitreisen in das Jahr 2000, bei denen miterlebt werden kann, wie der mutige Hauptmann Derek Shackleton die letzten Überlebenden der Menschheit zum Sieg über die Maschinenmenschen anführt.

Allerdings hat Murrays Zeitreisemethode einen kleinen Schönheitsfehler, denn sie erlaubt keine Reisen in die Vergangenheit. Doch wie Andrew und Charles bald erfahren sollen, hat jemand anderes jüngst eine Zeitmaschine fertiggestellt, die ebendies ermöglichen soll. Wird Andrew seine Zeitreise zurück in das Jahr 1988 gelingen, um das Eintreten des schrecklichsten Ereignisses seines Lebens zu verhindern? Und was haben der Autor H. G. Wells, die sich als von ihrer eigenen Zeit gelangweilt bezeichnende junge Claire Haggerty und der aus der untersten Gesellschaftsschicht Londons stammende Tom Blunt mit Andrews Geschichte zu tun?

Schon beim Lesen der ersten Seiten von "Die Landkarte der Zeit" scheint offensichtlich, dass sich Félix J. Palma anschickt,
die Atmosphäre der englischen Fantasy- und Science Fiction-Romane des 19. Jahrhunderts heraufzubeschwören. Je weiter die Handlung des Romans voranschreitet, desto deutlicher wird jedoch, dass sich der spanische Autor mehr plant, als eine bloße Hommage an Autoren wie H. G. Wells oder Jules Verne vorzulegen. Vielmehr kombiniert Palma mit beeindruckendem Ideenreichtum, Sinn für atemberaubende Spannung und nicht zuletzt viel oftmals groteskem Humor die Ideen und Konzepte seiner Vorbilder, um einen fesselnd-originellen Zeitreiseroman nach seinem ganz eigenen Stil abzuliefern.

Hierbei fällt zuerst das Auftreten des allwissenden Erzählers auf, der - ganz wie der eingangs erwähnte Mr. Gilliam Murray -
dem Leser das Versprechen gibt, ihn auf eine atemberaubende Zeitreise mitzunehmen und von Anfang bis Ende durch den Roman führt. Besagter Erzählstil wird von Palma meisterhaft benutzt, um dem Leser die wahre Natur der "Landkarte der Zeit" nur Stück für Stück zu offenbaren. Dabei spielt der spanische Autor mit scheinbar spitzbübischem Vergnügen mit den Erwartungen des Lesers, um ihm schließlich mit zahlreichen überraschenden Handlungswendungen, Überraschungsmomenten und Enthüllungen schier den Atem zu rauben. Gegen Ende des Romans kann der Autor schließlich nur noch für sich selbst entscheiden, was Wirklichkeit ist und was nicht. Doch egal wie er sich entscheidet - an der Tatsache, dass er just Zeuge eines absolut blendend geschilderten Lesevergnügens voller Witz, Spannung und Kreativität geworden ist, dürfte es nichts zu rütteln geben. Eine betörende Lobeshymne auf die Macht der Phantasie für Leser jeder Couleur.

Johannes Schaack
20.09.2010

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Félix J. Palma: Die Landkarte der Zeit. Aus dem Spanischen von Willi Zurbrüggen

CMS_IMGTITLE[1]

Reinbek: Kindler Verlag 2010
720 S., € 24,90
ISBN: 978-3-463-40577-3

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.