Romane
Vor den Trümmern einer Familie
F?r Au?enstehende sah es so aus, als w?ren die McKotchs eine perfekte Familie. Aber innerlich war diese Vollkommenheit stets ein Trugbild, das im Sommer 1976 endg?ltig zerst?rt wird. In jenem Sommer erkennt Paulette, dass ihr Ehemann nicht mehr die gro?e Liebe in ihr sieht, sondern seine pers?nliche "Sexsklavin", die ihm jederzeit zur Verf?gung steht und seine Bed?rfnisse befriedigt. Auch die drei Kinder sehen in Paulette nicht die Frau, die sie sein will, sondern die f?rsorgende Mutter, die jederzeit mit Rat und Tat ihren Liebsten zur Seite steht. Paulette ist aber nicht die einzige mit Problemen: Die 13-j?hrige Gwen m?chte nicht mehr als das kleine M?dchen geg?ngelt werden, sondern endlich erwachsen sein. Scott dagegen k?mpft um die Aufmerksamkeit seiner Eltern, die ihm aber verwehrt bleiben soll. Im Sommer 1976 zerspringt die Illusion der perfekten Familie f?r immer.
Bei Gwen wird das Turner-Syndrom diagnostiziert. Statt der ?blichen zwei hat sie nur ein funktionsf?higes X-Chromosom, das Gwen ein Leben mit Einschr?nkungen beschert. Sie wird immer wie ein kleines M?dchen aussehen, nie eine Pubert?t durchmachen und nie eigene Kinder haben. Ein schwerer Schicksalsschlag f?r die ganze Familie. Doch davon l?sst Gwen sich nicht entmutigen: Sie stellt sich ihrem neuen Leben entgegen und beschreitet einen eigenen Weg. Ihr ?lterer Bruder Billy hingegen ist zwar als Arzt erfolgreich, hat aber nie geheiratet. Und Scott, der j?ngste der drei, buhlt nach wie vor um die Gunst seiner Eltern, w?hrend er seinen Sohn und die Bed?rfnisse seiner eigenen Familie zu ignorieren versucht. Aus einer Familie sind f?nf Einzelleben geworden, die einander kennen und sich doch vollkommen fremd geworden sind.
Jahre sp?ter: Gwen wird immer noch als das kleine, schutzbed?rftige Kind behandelt, von dem sie sich schon l?ngst losgesagt hat. Erst als sie im Tauchurlaub jemanden kennenlernt, der in ihr jene Frau sieht, die sich in dem kindlichen K?rper versteckt, und sie sich unsterblich ineinander verlieben, bietet sich f?r Gwen ein Neuanfang - weit ab von ihrer Familie, die sich vor den eigenen Emotionen f?rchtet. Erstmals hat Gwen das Gef?hl, sie k?nne endlich auftauchen und befreit von den ?ngsten und Sorgen ihrer Eltern und Geschwister ihr gro?es Gl?ck finden. Doch stets hat Gwen die Bef?rchtung, ihr Gl?ck kann genauso schnell platzen wie eine Seifenblase. Schlie?lich l?st Gwens neues Leben ebenso starke Emotionen aus wie damals ihre Krankheit.
Jennifer Haighs Roman "Auftauchen" ist mehr als eine Familiengeschichte, die sich einem Schicksalsschlag ausgesetzt sieht. Die Autorin entfaltet vor den Augen des Lesers ein Generationenportr?t, das in seinen Grundfesten ersch?ttert wird und trotzdem an das gro?e Gl?ck glauben l?sst. Haigh entwirrt auf 528 Seiten ein kompliziertes Beziehungsgeflecht und analysiert Probleme, die auch im realen Leben bei vielen schwelen. Statt auf Klischees und ?berbordende Sentimentalit?t zu setzen, ber?hrt Haigh die Herzen ihrer Leser mit leisen Zwischent?nen und traurigen Momenten, in denen Gef?hle im Mittelpunkt stehen. "Auftauchen" ist das Portr?t einer Familie, die den ber?hmteren Buddenbrooks an Dramatik und Intensit?t in nichts nachsteht. Eine bewegende Hommage an das Leben und die Liebe.
Susann Fleischer
25.05.2010