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Der 17-jährige Schüler Hubert Garnischtwert steht vor dem Abgrund. Er muss repetieren und landet in der berühmt-berüchtigten "Gigantenklasse" 10A3, einer Klasse, die über 3000 Schüler beherbergt und als das gesellschaftliche Abstellgleis des Gymnasiums bekannt ist. Diese Klasse ist deshalb so zahlreich, weil ihr Zustrom aus den Parallelklassen am Ende des jeweiligen Schuljahres sie immer weiter vergrößert, ohne dass ihr pro Jahr mehr als ein oder zwei Schüler entrinnen könnten. Aus der Gigantenklasse jemals wieder versetzt zu werden, erscheint daher schier unmöglich. Die meisten ihrer Schüler sind zu ewigem Stillstand verurteilt und der älteste ist 46 Jahre alt. Das traurige Schicksal, das den Repetenten in dieser Klasse erwartet, geht bereits aus dem Wahlspruch hervor, der über dem Toreingang der Klasse steht und Dantes "Göttlicher Komödie" entstammt: "Lasst die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren."

Die meisten Schüler der Klasse haben bereits seit Jahren resigniert. Aber Hubert gibt nicht auf, sondern sucht nach einem Weg, aus seiner Misere herauszukommen. Er weiß, dass ihm dies durch Intelligenz und fleißiges Lernen allein nicht gelingen wird. Denn dazu ist die Klasse viel zu groß und unübersichtlich. Der Einzelne geht in ihr gänzlich unter. Wie es Hubert unter diesen Umständen gelingen soll, sein Klassenziel zu erreichen, weiß er nicht, aber er vertraut auf seine gesunde Intuition, den richtigen Weg zu gehen, und eine gleichsam überirdische Rettung. Trotz immer wiederkehrender Frustration ist er voller Hoffnung.

Unter einer Reihe seltsamer Schülergestalten, die ihresgleichen suchen - unter anderem Schopenhauerianer, Sektierer, Missionare, Einzelgänger -, findet er auch einige, die ähnliche Pläne schmieden und die Hoffnung nicht aufgegeben haben. Zu ihnen gehören der dickliche, kalbsäugige und treuherzige Fritz Espenlauber, dessen Ängstlichkeit und soziale Unbeholfenheit ihm trotz guter Begabung immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen, sowie der stolze, kritische und hochintelligente Fred Hinterluck, der dem Direktor ein Dorn im Auge war, weshalb er dessen Repetition veranlasst hatte.

Auch der opportunistische und menschenverachtende Streber Alois Lemminger gehört dazu, der kein Repetent ist, sondern freiwillig in die Gigantenklasse übertrat, weil er sich als guter Schüler in der Masse "minderwertiger Totalversager" besonders gute Chancen ausrechnet, von allen Lehrern gekannt zu werden. Lemminger arbeitet, abgesehen von seinem unermüdlichen Fleiß, mit allen möglichen Mitteln des Betrugs und der technischen Raffinesse, um aus dem grauen Schülerheer hervorzustechen. Er biedert sich den Lehrern in jeder nur erdenklichen Weise an. Dagegen bleibt Fred Hinterluck weiterhin unbestechlich und souverän seinen Grundsätzen treu, auch wenn sie ihm schaden, und Fritz Espenlauber ringt trotz panischer Ängste und scheinbar völliger Chancenlosigkeit unermüdlich mit dem Versetzungstode.

Eingebettet in diese gleichsam surrealistische Rahmenhandlung sind die Begegnungen und Gespräche, die der Schüler Hubert Garnischtwert während seines traurigen Schuljahres auch außerhalb der Schule mit zahlreichen skurrilen Zeitgenossen hat. Unter ihnen sind Enthusiasten, Philosophen, Wissenschaftler, Sozialreformer und Okkultisten, deren widersinnige Theorien ihm die Verlogenheit des Zeitgeistes zeigen, aber auch merkwürdige Gestalten und spirituelle Weise aus einer geheimnisvollen Zwischenwelt.

Dabei verbindet der Autor auf kunstvolle Weise logische und mathematische Gedankenspiele, in denen zeitgenössische Weltanschauungen ad absurdum geführt werden, mit Situationskomik und rabenschwarzem Humor. Obendrein wird der Leser auf witzige und entlarvende Art durch eine Vielzahl philosophischer Systeme und physikalischer Theorien geführt.

Wer wissen will, wie und durch welche skurrilen Schicksalsverwicklungen es Hubert Garnischtwert schließlich doch gelingt, sein angestrebtes Ziel zu erreichen, der begleite ihn auf seiner abenteuerlichen und faszinierenden Reise durch das vor ihm liegende Schuljahr und lese dieses Buch, dessen Ende überraschen wird.

Hugo Meier
15.03.2010

Eine Lesung von Richard Oliver Skulai finden Sie hier.

Richard Oliver Skulai: Radieschen der Gelehrsamkeit oder Alptraum eines Schülers

Frankfurt am Main: Frankfurter Literaturverlag 2009
293 S., € 14,40
ISBN: 978-3-8372-0423-0

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