Romane

König Simon I. von Deutschland

Wer sich bei dem Titel von Andreas Eschbachs neuestem Werk an Rio Reisers Hit erinnert fühlt und an dessen Überlegungen, was er denn machen würde, wenn er König von Deutschland wäre, liegt ein gutes Stück daneben. In "Ein König für Deutschland" geht es nicht um den hypothetischen Genuss einer 24-stündigen Ausstrahlung von Robert Lemkes Fernsehshow "Was bin ich?", sondern vielmehr um das tatsächliche Szenario einer Wiedereinführung der Monarchie in Deutschland. Doch gemach und der Reihe nach, wie es überhaupt soweit kommen konnte:

Vincent Merrit ist ein junger Computerexperte aus den Vereinigten Staaten, der aufgrund diverser Hacker-Tätigkeiten bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. In seiner aktuellen beruflichen Anstellung als Software-Entwickler erhält er von einem Kunden den Auftrag, zwecks Manipulation von Wahlcomputern eine "Machbarkeitsstudie" zu programmieren. Einige Zeit später verdichten sich Hinweise, dass sein Pilot-Programm unter anderem bei der amerikanischen Präsidentenwahl des Jahres 2004 zum Einsatz gekommen sein soll und die nicht unbedingt von allen erwartete Wiederwahl George W. Bushs bewirkt haben könnte. Als Merrit dann auch noch Besuch von dem dubiosen und mafiösen Zanetti erhält, beginnt das Buch, Fahrt aufzunehmen.

Der Plot erfährt daraufhin einen geographischen Schwenk weg aus den USA hin nach Stuttgart, wo Vincents Erzeuger beheimatet ist: der konservative Lehrer Simon König. Kurz vor seiner Flucht aus Zanettis Fängen konnte Merrit seinem Vater nämlich noch eine CD mit dem Programm schicken, hinter dem in der Zwischenzeit Gott und die Welt her zu sein scheint. Simon König wird alsbald von mehreren merkwürdigen Personen aus der Fantasy- und Rollenspiel-Szene aufgesucht, mit denen er nach einigen persönlichen Anlaufschwierigkeiten einen gemeinsamen Plan verfasst: die Gründung einer Partei zur Wiedereinführung der Monarchie und Teilnahme an der Bundestagswahl 2009. Vorrangig hat diese bunte und zur Groteske neigende Zweckgemeinschaft allerdings hehre Ziele - schließlich will sie lediglich die Manipulierbarkeit von Wahlcomputern nachweisen.

Was zuvorderst als ziemlich überdrehter Plot erscheint, gestaltet sich dank Eschbachs überzeugender und konsequenter Schilderung als absolut logisch, wobei jeder weitere Schritt in der Handlung nahezu unvermeidlich scheint. Eschbach ist mit "Ein König für Deutschland" ein wahrer Pageturner gelungen, insbesondere durch seine fachlich fundierten Erklärungen zum Thema "Einsatz von Wahlcomputern" versieht der ehemalige Software-Entwickler das Buch mit einem absolut validen und hochaktuellem Hintergrund. Viele dem Leser zunächst fiktiv erscheinende Darstellungen lassen sich kurzerhand durch die Informationen aus den zahlreich verwendeten Fußnoten tatsächlich verifizieren.

Das vorliegende Buch liefert viele spannende Aufhänger, allerdings leidet es ein wenig darunter, dass es ohne den entsprechenden und würdigen Kracher zu Ende geht. Man bekommt fast den Eindruck, dass Eschbach unter Zeitdruck stand, um das Werk rechtzeitig vor der Bundestagswahl am 27. September beenden und veröffentlichen zu können. Dies wird aber mehr als wettgemacht dadurch, dass "Ein König für Deutschland" eine höchst originelle Idee zu Grunde liegt, die maximal komisch, dafür aber wirklich brillant umgesetzt wird. So schmunzelt der Leser ob der glaubhaft vermittelten Ahnung, dass selbst ein hochzivilisiertes Land wie Deutschland dem romantischen Schrei nach Monarchie erliegen und sich vor allem ob des dazugehörigen Kitsches tatsächlich wie geschildert verhalten könnte.

Eschbach hat erneut bewiesen, dass er neben einem großartigen Schreibstil die geniale Fähigkeit besitzt, Realität und Fiktion in einzigartiger Weise zu verbinden. Er denkt auf eine überzeugende, aber auch beunruhigende Art und Weise Gedanken zu Ende. Letztlich ist das vorliegende Buch vor allem ein klares Plädoyer gegen den Einsatz von Wahlmaschinen. Wer dies im Verlauf des Buches noch nicht verstanden hatte, wird im Nachwort von Eschbach nochmals explizit mit der Nase darauf gestoßen. Dabei wird die Abkehr von Wahlmaschinen insbesondere von Computerspezialisten gefordert, da sie diejenigen sind, die genau wissen, dass Manipulation von Daten eine Grundeigenschaft von Computern ist und daher eine 100-prozentige Sicherheit für nicht-manipulierte Wahlen beim Einsatz von Wahlcomputern niemals gewährleistet werden könnte.

Christoph Mahnel
30.11.2009

 
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Das Buch:

Andreas Eschbach: Ein König für Deutschland

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Bergisch Gladbach: Lübbe Verlag 2009
491 S., € 19,99
ISBN: 978-3-785-72374-6

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