Romane

No Limits!

Grenzen kennt Frank Schätzing wahrlich keine: 1328 Seiten. Durch so viele Seiten bzw. durch 5,5 cm Buch inklusive beider Buchdeckel muss sich der Leser bei Schätzings neuestem Werk kämpfen: "Limit" heißt der spannungsgeladene Actionthriller, der Anfang Oktober diesen Jahres erschienen ist und mit Abstand die gewaltigste Neuerscheinung auf dem deutschen Buchmarkt im Jahre 2009 war. Eine riesige Medienkampagne begleitete die Veröffentlichung von "Limit". Man fühlte sich beinahe schon an das Erscheinen des neuesten Harry-Potter-Romans erinnert, da derart ausführlich in Funk und Fernsehen berichtet wurde und es sich auch in der Presselandschaft keine Zeitung erlauben konnte, nicht mindestens einen Artikel, am besten sogar auch gleich noch ein Interview mit Schätzing zu veröffentlichen.

Der ehemalige Werbetexter und spätere Gründer einer Kölner Werbeagentur gilt seit dem überragenden Erfolg seines Öko-Thrillers "Der Schwarm" im Jahre 2004 als der Popstar der deutschen Literaturszene. Seitdem wurden vorrangig frühere Werke Schätzings von seinem Verlag neu aufgelegt und im Zuge des Hypes um "Der Schwarm" auf den Markt geworfen. Nebenbei veröffentlichte er mit "Nachrichten aus einem unbekannten Universum" noch ein Sachbuch, um sicherzustellen, dass all sein Wissen, das er sich für "Der Schwarm" angeeignet hatte, auch zu Papier gebracht war. Daher ist nach diesem "Zwischengeplänkel" der Druck der Öffentlichkeit hinsichtlich seines nächsten Großprojektes stetig gewachsen, so dass "Limit" einer extremen Erwartungshaltung standhalten muss. Man stelle sich nur vor, J.K. Rowling würde einen achten Harry-Potter-Band ankündigen.

Stieg Schätzing in "Der Schwarm" noch in die unbekannten Tiefen der Weltmeere hinab, begibt er sich nun auf den Mond. Aus gutem Grund! Man schreibt das Jahr 2025, und auf dem Mond wird Helium-3 gefördert, das die Energieversorgung der Menschheit nach dem allmählichen Versiegen der Ölquellen sicherstellen kann. Amerikaner und Chinesen kämpfen dabei um die Vormachtstellung auf dem Mond. Die einstigen Öl-Imperien spielen auf der Weltkarte ebenso wie Russland nur noch eine marginale Rolle, da sie ihren Einfluss und damit ihre Macht verloren haben. Ein Weltraumfahrstuhl stellt die benötigte Infrastruktur für den Transfer zum Mond und dient bereits Touristen als Transportmittel. Von einer Pazifikinsel vor Ecuador aus gelangt man dorthin, wo erst gut fünfundfünzig Jahre zuvor die ersten Menschen gelandet sind, und das seinerzeit noch mit äußerst hohem Aufwand und unter größter Lebensgefahr. Die Idee des Weltraumfahrstuhls fasziniert, insbesondere da die Realisierung eines solchen Vehikels theoretisch schon durchdacht ist und eigentlich nur noch kleinere praktische Hindernisse zu überwinden sind.

Eine Vielzahl von Akteuren wird von Schätzing eingeführt, so dass im Anhang ein achtseitiges Dramatis Personae herhalten muss, um den Überblick zu wahren. Aus dieser breiten Masse sticht Owen Jericho als Hauptprotagonist hervor. Mit dem britischen Cyber-Cop kämpft ein klassischer Vertreter seines Genres gemeinsam mit der Chinesin Yoyo einen anstrengenden Überlebenskampf gegen ihre mit allen Mitteln ausgestatteten Gegner. Im Jahre 2025 leidet die Welt darunter, dass sich Machtverhältnisse verschoben haben, weg von Staaten und ihren Politikern und hin zu multi-nationalen Großkonzernen. "Limit" liefert dem Leser eine atemberaubende Jagd über den ganzen Globus und darüber hinaus.

Schätzing hat laut eigener Auskunft für das vorliegende Buch über ein Jahr lang recherchiert, was sich vor allem darin äußert, dass "Limit" weder ein reiner Actionthriller noch ein Science-Fiction-Roman ist, was man ob des Handlungsplots annehmen könnte. Schätzing bietet - wie schon in "Der Schwarm" - viele Exkurse, so dass "Limit" immer wieder den Hauch eines Sachbuchs bekommt. Raumfahrt, Cyberspace und Energieversorgung sind nur einige der Themen, zu denen Schätzing Hochinteressantes zu berichten weiß. Dies allerdings sollte der Leser vor dem Kauf des Buches in Betracht ziehen, da er sich auf diese außergewöhnliche Mischung einlassen muss! Über diese Muße hinaus benötigt er auch einiges an Zeit, um das monströse Werk in einem angemessenen Rahmen konsumieren zu können.

"Limit" bietet eine komplex aufgebaute Erzählstruktur, in der Schätzing über die drei Handlungsstränge hinweg die Fäden gekonnt zusammenhält und dies trotz der zahlreichen Exkurse und der Unmenge an Handlungsschauplätzen. Ähnlich wie bei "Der Schwarm" entwirft Schätzing Szenarien, die ob ihres apokalyptischen Anstriches furchterregend sind, gleichzeitig aber auch realistisch und nicht mehr fern erscheinen. "Limit" will kein Pageturner à la Dan Brown sein, stattdessen begeistert es den Leser durch die über das gesamte Buch hinweg aufrechterhaltene Spannung und die aufwendige Recherche, die Schätzing seinem Leser meisterhaft - da verständlich - vermittelt.

Christoph Mahnel
16.11.2009

 
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Das Buch:

Frank Schätzing: Limit

CMS_IMGTITLE[1]

Köln: Kiepenheuer & Witsch 2009
1320 S., € 26,00
ISBN: 978-3-462-03704-3

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