Romane

"Herr der Fliegen" auf Russisch und mit Mädchen

Sergej Lukianenko gilt nach seinem gro?en Erfolg mit der W?chter-Reihe als Russlands Senkrechtstarter in Sachen Fantasy und Science-Fiction. Auf einen derartigen Erfolg hin greifen naturgem?? die Mechanismen der Branche: Man h?lt Ausschau nach unver?ffentlichten Werken des Autors aus der Vergangenheit und wirft diese mit dem Hinweis auf "das neueste Werk des Bestsellerautors" marktschreierisch unters Volk. Was selbst bei durchaus anerkannten Schriftstellern wie Frank Sch?tzing, John Katzenbach und Dan Brown mehr schlecht als recht funktioniert hat, scheint bei Lukianenko allerdings gl?nzend zu klappen. Bereits 1992 auf Russisch erschienen, hatte das vorliegende Buch seinerzeit noch keinen Verleger hierzulande gefunden, der es in einer deutschen ?bersetzung auf dem hiesigen Markt platzieren mochte. Was allerdings ein einziger Erfolg in der Zwischenzeit bewirken kann, zeigt die positive Resonanz auf das jetzige Erscheinen von "Die Ritter der vierzig Inseln" im Heyne Verlag.

Der 14-j?hrige Dima wird im Park seiner Heimatgemeinde von einem angeblichen Journalisten fotografiert und findet sich wenig sp?ter unsanft auf einer Insel gelandet wieder. Dort trifft er mehrere Jungen und M?dchen, die auf demselben Weg dorthin gelangt sind. Sp?testens nachdem Dima die Spielregeln dieser parallelen Welt erkl?rt bekommen hat, wei? er um die Gefahr, in der er sich befindet. Jede der Inseln ist mit mehreren anderen Inseln ?ber Br?cken verbunden. Insgesamt gibt es vierzig Inseln in diesem Archipel, aber ?berleben und zur?ckkehren werden nur die Bewohner derjenigen Insel, die alle anderen Inseln kriegerisch erobert hat. Manche merkw?rdig anmutenden Regeln lassen Dima schnell klar werden, dass dies das Werk einer fremden Macht sein muss. Neben dem Bestreben, das Spiel auf dem offiziellen Wege zu gewinnen, sprich m?glichst viele der anderen Inseln zu erobern, will Dima die Hinterm?nner dieser Welt finden und ?berlisten.

Ein Buchh?ndler, der dieses Buch in seinem Laden thematisch einordnen m?chte, d?rfte es recht schwierig haben. Lukianenko versteht es n?mlich brillant, mit den verschiedenen Genres zu jonglieren, ohne sich dabei f?r eines zu entscheiden: Ist es mehr Jugendbuch oder Science-Fiction oder doch eher Fantasy? Egal, denn ein grandioser Plot l?sst den Leser die hiesige Welt vergessen und eintauchen in diese skurrile Welt der Inseln voller Burgen und Br?cken. Inspiriert d?rfte Lukianenko sicherlich von "Herr der Fliegen" gewesen sein, doch l?sst er im Gegensatz zu William Golding auch M?dchen am Geschehen teilhaben. Alles in allem bekommt der Leser aber den Eindruck, ein Buch erworben zu haben, das mit etwas Neuem, noch nicht Dagewesenem daherkommt.

Die Tatsache, dass "Die Ritter der vierzig Inseln" bereits zu Beginn der schriftstellerischen Karriere von Sergej Lukianenko verfasst worden ist, macht sich an mehreren Stellen leider negativ bemerkbar. Es wird deutlich, dass Lukianenko bereits in jungen Jahren zwar gro?artige Ideen und Fantasie besessen hat, jedoch noch einige technische Unzul?nglichkeiten in seinem schriftstellerischen Handwerk aufweist: Er schlie?t mit einem den Leser nicht zufriedenstellenden Ende, das viel zu schnell daherkommt und einige Fragen offen l?sst. Die Charaktere sind wenig ausgefeilt und konturiert, so dass Unterschiede zwischen den einzelnen Figuren wenig ersichtlich werden. Vor allem aber mangelt es dem vorliegenden Werk an einer angemessenen Steuerung des Tempos. Lukianenko scheint noch nicht recht zu wissen, wann es gilt, die Handlung zu drosseln oder zu beschleunigen.

F?r den hiesigen Leser lohnt es sich auf jeden Fall, dieses Fr?hwerk Lukianenkos zu lesen, auch ohne zuvor ein Fan oder Leser seiner bisherigen Erfolgsb?cher gewesen zu sein. Es ist erfrischend, ein Buch zu lesen, das einem anderen als den herk?mmlichen Buchm?rkten entspringt. Da hierzulande ca. 90% der B?cher entweder deutschen oder angloamerikanischen Ursprungs sind, wirkt ein Werk wie dieses neuartig, weil grunds?tzlich anders daherkommend. Dass der Leser am Ende ob der Vielfalt an Interpretationsm?glichkeiten, die diese Geschichte zul?sst, auch noch nachdenklich zur?ckbleibt, macht "Die Ritter der vierzig Inseln" noch ein wenig mehr besonders. Gesch?rt wird dies zus?tzlich durch Lukianenkos Dank im Nachwort, in dem er allen dankt, die dieses Buch verstanden haben. Sp?testens hier wird das Nachdenken entfacht werden, sofern es bis dahin noch nicht stattgefunden hat. Zur?ck in den K?pfen bleibt auch das Zitat des von Lukianenko hochgesch?tzten Kollegen Wladislaw Krapiwin zu Beginn des Buches, das die Absurdit?t der Handlung im vorliegenden Buch von Anfang an klarmacht: "Kinder k?nnen Krieg gegen Erwachsene f?hren. Erwachsene f?hren auch Krieg gegen Kinder. Sie sind verroht. Aber auf keiner Welt bekriegen sich Kinder untereinander. Sie sind noch nicht vollkommen verr?ckt geworden!"

Christoph Mahnel
02.06.2009

 
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Das Buch:

Sergej Lukianenko: Die Ritter der vierzig Inseln. Aus dem Russischen von Matthias Dondl

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München: Heyne Verlag 2009
400 S., € 16,95
ISBN: 978-3-453-26627-8

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